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Eine Einführung in ICM für Anfänger 

Juni 16, 2023
von PokerStars Learn

Wer musste nicht schon einmal einem Freund oder Verwandten erklären, dass ein Stack von einer Million Chips in einem Turnier nicht dasselbe ist, wie eine Million Dollar Cash vor sich zu haben. Aber nur, weil du deine Pokerchips in einem Turnier nicht in die Hand nehmen und sie wie in einem Cashgame für Bares auszahlen kannst, heißt das nicht, dass sie keinen finanziellen Wert haben.

Dein Stack hat ab dem Zeitpunkt deiner Turnieranmeldung einen gewissen Wert. Er hat eine Equity in Höhe eines Betrags in Dollar, der im Verhältnis zum Preispool steht und sich basierend auf der verbleibenden Anzahl an Spielern ändert.

Je größer dein Chipstack ist, desto höher ist deine Chance, einen langen Lauf im Turnier zu haben oder es sogar zu gewinnen, und desto höher ist entsprechend die Equity in Dollar deines Stacks.

Für diese Berechnung wird beim Poker eine mathematische Formel verwendet, die als ICM bekannt ist, was für „Independent Chip Model“ steht.

Wie funktioniert ICM? Und warum sollten Pokerturnierspieler darüber Bescheid wissen?

In dieser Einführung für Anfänger erklären wir im Detail, was ICM ist, wie die Formel entstanden ist und wie sie in Pokerturnieren zum Einsatz kommt.

Was ist ICM beim Poker?

Das Independent Chip Model (ICM) bezeichnet eine Formel, mit der die Größe deines Chipstacks unabhängig von der Phase des Turniers in Equity in Dollar umgerechnet wird.

Und warum brauche ich es? Dieses Modell gibt an, wie oft du, basierend auf der Größe deines Chipstacks, erwartungsgemäß in die hohen Preisränge eines Turniers kommst. Hierbei werden nicht das Skill-Level oder die Erfahrung von dir oder deinen Gegenspielern berücksichtigt.

Obwohl deine Chips von Beginn des Turniers an einen Wert haben, muss ICM im Wesentlichen erst dann in Betracht gezogen werden, wenn die Bubble erreicht wird. Ab dem Zeitpunkt, wenn du in den Preisrängen bist, wird dies allerdings extrem wichtig, insbesondere, wenn es auf den Finaltisch zugeht, die Unterschiede zwischen den Preisgeldern (die Payjumps) höher werden und der erste Platz Stück für Stück näher rückt.

ICM wird auch gerne herangezogen, wenn ein Deal am Finaltisch ausgehandelt wird. ICM unterscheidet sich von dem Chip-Chop genannten Modell (bei dem Preisgelder ausschließlich auf den Chipmengen basierend aufgeteilt werden), weil hier auch die Wahrscheinlichkeit eines Comebacks von einem der Spieler mit den kleinen Stacks mit einbezogen wird.

Es ist in deinem Interesse, über ICM Bescheid zu wissen, denn es hat Auswirkungen darauf, wie du in den späten Phasen eines Turniers spielen solltest. Mit einem großen Stack kannst du aufgrund von ICM mehr Druck ausüben. Mit einem mittleren Stack solltest du aufgrund von ICM tighter spielen. Und wenn du den mit einigem Abstand kleinsten Stack hast, solltest du aufgrund von ICM looser spielen.

Wie wird ICM beim Turnierpoker eingesetzt?

Im Folgenden findest du ein leicht verständliches Beispiel zur Veranschaulichung, wie ICM funktioniert:

Angenommen, es sind noch drei Spieler in einem Sit & Go-Turnier übrig.

  • Spieler 1 hat 50.000 Chips (50% der Chips im Spiel).
  • Spieler 2 hat 30.000 Chips (30% der Chips im Spiel).
  • Spieler 3 hat 20.000 Chips (20% der Chips im Spiel).

Die Preise sind wie folgt:

  1. Platz – $700
  2. Platz – $300
  3. Platz – $0

Da der Drittplatzierte keinen Preis gewinnt, befinden die Spieler sich somit in der Bubble.

Wenn es den drei Spielern möglich wäre, einen ICM-Deal zu machen, bei dem das Preisgeld aufgeteilt wird, würde Spieler 1 $451,70 erhalten, Spieler 2 $322,50 und Spieler 3 $225,80.

Diese Beträge wurden basierend auf ICM errechnet, d.h. sie basieren darauf, wie oft jeder Spieler in diesem Szenario erwartungsgemäß das Turnier gewinnen würde. In diesem Szenario würde Spieler 1 das Turnier erwartungsgemäß in 50% aller Fälle gewinnen, Spieler 2 in 30% und Spieler 3 in 20% aller Fälle.

Als Chipleader hat Spieler 1 aktuell die höchste Chance zu gewinnen. Deshalb würde er bei einem ICM-Deal das meiste Geld erhalten.

Spieler 1 kann aggressiv spielen, insbesondere gegen Spieler 2, der nicht vor Spieler 3 ausscheiden will. Allerdings müssen seine aggressiven Spielzüge gut getimt sein. Wenn er zu aggressiv spielt, kann er seine Position als Chipleader verlieren und sein Stack wird an Wert verlieren.

Spieler 3 hat basierend auf seinem kleinen Chipstack die niedrigste Chance, zu gewinnen. Das bedeutet, dass er mehr Flexibilität hat, um aggressiv zu spielen, als Spieler 2, weil er weniger zu verlieren hat. Weder Spieler 1 noch Spieler 2 wollen das Risiko eingehen, um den ganzen Stack von Spieler 3 zu spielen und dabei ihren eigenen Stack zu verringern. Deshalb sollten sie All-ins nur mit ihren stärksten Blättern callen.

Spieler 2 steht unter dem größten Druck, was ICM angeht. Er hat zwar eine 30%-Chance zu gewinnen, aber eine 37,5%-Chance, den zweiten Platz und somit die Preisränge zu erreichen, verglichen mit 28,6% für Spieler 3. Es wäre für Spieler 2 ein Desaster, vor Spieler 3 auszuscheiden, deshalb ist zu erwarten, dass er tight spielt.

Es handelt sich hierbei um ein einfaches Beispiel eines komplexen Modells, doch wird es dir hoffentlich veranschaulichen, wie ICM zum Einsatz kommt und welchen Wert dein Stack im Turnier hat, wenn du das nächste Mal einen langen Lauf in einem Turnier hast.

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