Die Kunst der Blattdeutung
Heute wollen wir uns ausführlich mit einer Fähigkeit befassen, die dir an Online-Pokertischen einen echten Vorteil verschaffen kann: die Kunst der Blattdeutung.
Was ist Blattdeutung überhaupt?
Unter Blattdeutung verstehen wir, die möglichen Blätter einzugrenzen, die deine Gegner haben könnten. Beim Onlinepoker kannst du dich nicht auf die Körpersprache deiner Gegner verlassen, um einen Eindruck zu bekommen, was sie gerade halten. Deshalb ist es umso wichtiger, ihren Spielstil zu durchschauen. Wenn ein tight-aggressiver Spieler etwa auf dem River re-raist, stehen die Chancen gut, dass er ein starkes Blatt hat.
Nehmen wir mal an, du hast Q♣ Q♠ und das Board zeigt:
2♦ 3♥ 10♥ 9♣ J♦
Du raist auf dem River und ein sehr tighter Gegner bringt ein Re-Raise. Jetzt kannst du ziemlich sicher davon ausgehen, dass er dich entweder mit Drillingen aus Zweien, Dreien oder Zehnen oder einem starken Two Pair aus Buben und Zehnen schlagen würde – je nach Handverlauf könnte er sogar ein Straight haben. Denk dran: Du hast es hier mit einem tighten Gegner zu tun, der so gut wie nie blufft.
Wenn hingegen ein looser Spieler raist, den du schon bei Value-Blättern wie dem Top Pair gesehen hast, könnte er durchaus ein Blatt wie As-Bube, König-Bube oder verpasste Draws wie 4-5 oder verpasste Flush Draws halten. In dem Fall solltest du vielleicht nicht unbedingt raisen, aber mit einem Call bist du langfristig gut bedient.
Die Beispiele oben machen deutlich, dass du mit deinem Damenpaar gegen tighte Spieler folden, aber gegen loose Spieler callen solltest.
Warum ist Blattdeutung so wichtig?
Ohne eine Ahnung, was deine Gegner haben könnten, musst du gegen alle Gegner genau gleich spielen.
Im Onlinepoker, wo du oft mit unbekannten Gegnern am Tisch sitzt, kann Blattdeutung deine Geheimwaffe sein, um Verluste zu vermeiden und große Pots abzustauben. Wenn du den Spielstil deiner Gegner durchschaust, hilft es dir wie im Beispiel oben bei deiner Entscheidung, ob du in der Situation folden oder callen solltest.
So identifizierst du Spielstile
Am Online-Pokertisch kannst du deine Gegner nicht sehen, um anhand ihrer Körpersprache Hinweise auf ihre Karten zu erhalten. Du kannst Gegner aber anhand der bisherigen Hände, die sie gespielt haben, und ihrer Einsatzmuster einstufen.
Achte auf folgende Informationen:
- Sind sie tight oder loose – wie viele Hände spielen sie?
- Sind sie passiv oder aggressiv – setzen sie regelmäßig, wenn sie in einer Hand sind, oder nur, wenn sie starke Blätter haben?
Achte während des Spiels auf diese Hinweise und merk sie dir, vor allem in Händen, in denen du nicht mehr dabei bist. So bleibst du auch in Spielphasen, in denen du viel foldest, aufmerksam und involviert.
Dieses Wissen kann dir später helfen, begründete Vermutungen zu ihren Blatt-Ranges anzustellen.
Natürlich ändern Spieler ihren Spielstil hin und wieder. Ein tighter Spieler, der gerade mehrere Bad Beats oder Verluste einstecken musste, könnte plötzlich looser spielen, weil er einen Tilt erlebt. Ein Gegner könnte auch angesichts seines schwindenden Stacks verzweifelt versuchen, Chips abzustauben, und selbst ein Big Stack könnte verführt sein, den Tisch vor sich herzutreiben.
Die Bedeutung der Position
Im Onlinepoker kann die Position dir jede Menge verraten. Wenn ein Spieler in früher Position raist, ist seine Range vermutlich deutlich stärker als bei einem Raise auf dem Button. Nutze also die Position, um deine Blattdeutung zu verbessern.
In der Grafik oben ist der Spieler Under the Gun nach den Blinds als erstes dran, sodass nach ihm noch acht Spieler an der Reihe sind. Wenn er hier mit einem schwachen Blatt wie Pik-Bube/Karo-Drei raist, riskiert er, dass er bei weiterer Aggression vor dem Flop folden muss – oder nach dem Flop außer Position ist und keine Informationen zu seinen Gegnern hat.
Schau dir die Grafik oben an: Was glaubst du, warum der Spieler Under the Gun womöglich ein schwächeres Blatt hat als sonst, als er All-in geht? Denk einen Moment darüber nach, bevor du weiterliest.
Wenn du darauf getippt hast, dass er All-in ist, weil sein Stack zur Neige geht, liegst du goldrichtig: Spieler mit kleinem Stack gehen oft mit deutlich schwächeren Blättern als üblich All-in, weil sie nicht abwarten können, bis die Blinds ihnen ihre restlichen Chips nehmen.
Mal angenommen, unser Spieler Under the Gun hätte einen Stack von 25 BB – in dem Fall würde er vermutlich nicht All-in gehen, sondern mit Blättern wie Zehn-Zehn, Bube-Bube, Dame-Dame, König-König oder As-As raisen. Mit nur noch 11,8 BB würde er hingehen mit all diesen Blättern und noch einigen schwächeren ein All-in bringen.
Unten siehst du ein paar Beispiele von möglichen Blättern, mit denen Spieler Under The Gun abhängig von ihrer Stack-Größe vermutlich raisen oder All-in gehen würden.
Denk aber dran, dass es nur Beispiele sind: Letztendlich hängt es vom einzelnen Spieler ab. Ein looser Spieler mit 11,8 BB würde wahrscheinlich mit mehr Händen All-in gehen.
Wenn du die Position und Stack-Größen deiner Gegner berücksichtigst, wird deine Blattdeutung noch präziser.
Fazit
Zielsichere Blattdeutung im Onlinepoker ist ein ständiger Lernprozess. Du musst nicht nur im Blick haben, welche Karten du hältst, sondern anhand ihres Spielstils, ihrer Aktionen, Stack-Größe und Position entschlüsseln, welche Blätter deiner Gegner wahrscheinlich haben. Also wenn du das nächste Mal am Tisch sitzt, denk an diese Tipps. Je mehr Übung du mit Blattdeutung hast, desto eher durchschaust du, welche Karten deine Gegner haben.