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Warum gute Pokerspieler langfristig denken

Juni 5, 2025
von PokerStars Learn

Du hast bestimmt schon mitbekommen, wie Pokerspieler oft von „langfristig“ oder „auf lange Sicht“ reden. Wenn du gerade erst mit dem Spielen anfängst, klingt dieses Konzept vielleicht nicht sehr wirklichkeitsnah. Du neigst wahrscheinlich eher dazu, dein Abschneiden in jeder einzelnen Spielsitzung als Kennzeichen für deine Leistung zu bewerten.

Am Pokertisch spielt aber nicht nur das Können, sondern auch der Zufall eine große Rolle. Kurzfristige Ergebnisse sind deshalb nicht besonders aufschlussreich. Kurzfristig kann alles passieren.

Um eine Vorstellung deiner tatsächlichen Gewinnrate (oder Verlustrate) zu erhalten, musst du eine riesige Auswahl an Händen betrachten. Bei dieser „langen Sicht“ geht es aber nicht nur darum, deine Gewinnrate zu berechnen. Diese Denkweise hilft dir auch, mental stark zu bleiben, wenn du gerade eine besonders schlechte Phase erlebst.

In diesem Artikel erfährst du, warum gute Pokerspieler immer über ihre langfristigen Ergebnisse nachdenken.

Varianz

Statistische Varianz ist ein Begriff aus der Mathematik, der beschreibt, wie weit einzelne Ergebnisse vom Durchschnittswert abweichen. Varianz ist ein natürlicher Bestandteil von Poker, und daran kannst du auch mit den besten Pokerskills nichts ausrichten.

Du kannst dir das Prinzip der Varianz selbst vor Augen führen – wirf einfach zehnmal eine Münze. Du weißt natürlich, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine Münze auf Kopf oder Zahl landet, bei genau 50/50 liegt. Und trotzdem ist es durchaus möglich, dass die Münze in deinem kleinen Versuch deutlich häufiger auf der einen als auf der anderen Seite landet.

Wenn du also zehnmal wirfst, können deine Ergebnisse drastisch vom 50-/50-Durchschnitt abweichen – vielleicht landet die Münze sogar acht- oder neunmal auf derselben Seite.

Dafür ist nichts anderes als die statistische Varianz verantwortlich. Auf lange Sicht gleichen sich die Ergebnisse aus. Je größer die Datenprobe, desto weiter nähert sich das Ergebnis dem Erwartungswert von 50% Kopf, 50% Zahl an.

Wenn du es selbst ausprobieren willst, wirf die Münze 100-mal oder noch besser 1.000-mal. Danach liegt das Ergebnis vielleicht nicht bei genau 50/50, aber je länger du wirfst – und somit je größer die Stichprobe – desto weiter nähert es sich daran an.

Im Poker funktioniert es genauso: nur dass hier keine Münzen geworfen, sondern Karten ausgeteilt werden. Insofern ist auch nicht jede Situation wie ein Münzwurf mit 50-/50-Wahrscheinlichkeit. Selbst wenn du das Blatt mit der besten Gewinnchance hast, kannst du kurzfristig gesehen trotzdem häufiger verlieren (oder gewinnen), als zu erwarten wäre.

Wenn die kurzfristigen Ergebnisse im Poker vom Durchschnitt abweichen, erlebst du eine gute oder schlechte Phase. Wir erinnern uns nur besser an die üblen Downswings, weil sie ziemlich brutal sein können.

Also wenn du ernsthaft wissen willst, was du am Pokertisch draufhast und wie deine Gewinnrate aussieht, brauchst du eine große Datenprobe.

Was ist eine langfristige Perspektive beim Pokern?

Statistiken sind sehr seltsam. Es ist nicht garantiert, dass sie den durchschnittlichen Erwartungswerten entsprechen – selbst wenn du eine sehr große Datenprobe hast. Die gute Neuigkeit ist aber: Je größer die Datenmenge, desto wahrscheinlicher ist, dass sich die üblichen Schwankungen ausgleichen.

Bei der Stichprobengröße gilt also, je größer desto besser. Für dich bedeutet das in der Praxis, dass ein paar Tausend Pokerhände im Gesamtbild ziemlich wenig aussagen.

Um deine Gewinnrate einigermaßen genau zu ermitteln, empfiehlt sich für Cashgames eine Datenprobe von mindestens 100.000 Händen.

Bei Turnieren hängt die „lange Sicht“ von den Teilnehmerzahlen ab. In Multi-Tisch-Turnieren mit großem Teilnehmerfeld brauchst du eine deutlich größere Stichprobe als in kleineren Turnieren. Aber selbst bei kleineren Turnieren musst du mindestens 1.000 bis 2.000 Events gespielt haben, um dich einer langfristigen Perspektive anzunähern.

Wenn du eine solche Datenmenge hast, kannst du dir recht sicher sein, dass die Ergebnisse aussagekräftig für dein tatsächliches Können und deine Gewinnrate sind.

Damit befassen sich die guten Spieler. Sie wollen wissen, wie gut sie wirklich sind, wenn sie den Zufallsfaktor des Spiels – der starken Einfluss auf die kurzfristigen Ergebnisse hat – herausrechnen.

Die Poker-Denkweise

Bei der langfristigen Sicht aufs Pokern geht es nicht nur darum, deine Gewinnrate zu berechnen. Es geht auch darum, eine gedankliche Einstellung zu entwickeln, die dir hilft, die schweren Zeiten an den Tischen zu überstehen.

Die kurzfristige Denkweise sagt dir, dass du die Hand hättest gewinnen müssen, weil du doch vorn lagst! Sie berücksichtigt keine Statistik oder Varianz. Und wenn du dann einen Bad Beat erwischst – wie es unweigerlich passiert – kann das richtig wehtun. Und wenn du einen ganzen Downswing miterlebst, bist du nicht drauf vorbereitet.

Wenn du dir hingegen eine langfristige Perspektive aufs Spiel angewöhnst, nimmst du Bad Beats ein bisschen von ihrem Schrecken. Du darfst dich immer noch drüber ärgern, aber letztendlich gehört es doch zum Pokerspielen dazu. Und gewissermaßen kannst du dich sogar drüber freuen: Schließlich hat dein Gegner anfangs einen Fehler gemacht, der dir langfristig Gewinne bescheren wird.

Das Gleiche gilt für schlechte Phasen. Wenn du dich auf deine kurzfristigen Ergebnisse konzentrierst, kommst du nicht damit klar, wie unfair sich solche Downswings anfühlen können. Für viele Pokereinsteiger bedeutet der erste echte Downswing schon das Ende ihrer Pokerkarriere – weil ihnen das Guthaben oder ihre Geduld ausgeht.

Wenn du langfristig denkst, hast du das beruhigende Wissen, dass jeder Downswing wieder vorübergeht. Er kann lang dauern, aber er dauert nicht ewig. Mit dieser Einstellung kannst du dich auf das konzentrieren, was wirklich zählt – dass du deine allerbeste Strategie am Pokertisch zeigst.

Beim Pokern ist deine langfristige durchschnittliche Gewinnrate die Summe der Fehler deiner Gegner minus die Summe deiner eigenen Fehler. Mit einer langfristigen Perspektive kannst du dein Abschneiden auf diese Weise betrachten und musst nicht jedem verlorenen Pot hinterhertrauern.

Bankroll-Management

Jetzt wissen wir also, was statistische Varianz ist und warum du deine Ergebnisse auf lange Sicht betrachten solltest. Eine langfristige Perspektive spielt aber auch bei der Bankroll eine Rolle.

Kurzfristig kann alles passieren. Umso wichtiger ist, dass dein Pokerguthaben eine Misserfolgsserie gut wegsteckt.

Nehmen wir als extremes Beispiel an, du hast eine Bankroll von $1.000 und setzt alles auf ein MTT. Selbst wenn du der beste Spieler im Turnier bist, besteht eine hohe Chance, dass du vor den Geldrängen rausfliegst – und dann hast du nichts übrig, um das nächste Spiel zu starten.

Jetzt stell dir vor, du spielst mit deiner $1.000-Bankroll stattdessen Turniere für $1 oder $2. So kannst du dir leisten, 500 bis 1.000 Events zu spielen und näherst dich schon ein gutes Stück an „langfristiges“ Turnierpokern an. Oder anders ausgedrückt: Es ist viel wahrscheinlicher, dass sich deine Ergebnisse deiner tatsächlichen Gewinnrate annähern.

Du kannst natürlich nicht langfristig denken, wenn deine Bankroll dir kein langfristiges Spielen auf deinen derzeitigen Stakes erlaubt. Deshalb legen gute Spieler auch Wert auf gutes Bankroll-Management.

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