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Draws und Semi-Bluffs spielen #2

August 11, 2020
von PokerStarsSchool

Im ersten Teil haben wir uns die Definition des Semi-Bluffs angeschaut sowie die Vor- und Nachteile einer aggressiven Spielweise von Draws. Außerdem sind wir darauf eingegangen, wie wichtig es ist, eine ausgewogene Strategie anzuwenden, wenn es darum geht, ob wir unsere Draws passiv oder aggressiv spielen. Im zweiten Teil befassen wir uns mit einigen weiteren Faktoren bei der Wahl der Vorgehensweise.

Eine Sache, die es zu berücksichtigen gilt, ist die Frage, ob unser Blatt tatsächlich eine Chance hat, beim Showdown zu gewinnen, auch wenn es sich vorher nicht verbessert hat. Semi-Bluffs sind deshalb eine so starke Waffe, weil du damit die Fold Equity zu deinem Vorteil nutzen und bessere Blätter aus der Hand jagen kannst – gleichzeitig aber auch die Equity deines Draws hast, also eine gewisse Gewinnchance, wenn das nicht gelingt. Einen Gegner mit beispielsweise einem Flush Draw, 8 hoch zum Fold zu bringen ist eine tolle Sache.

Ein Beispiel wäre ein Pokerblatt wie 8-Herz, 7-Herz bei einem Flop K-Herz, 3-Herz, 2-Pik. Du kannst nicht davon ausgehen, einen Showdown mit 8 hoch zu gewinnen. Doch was wäre, wenn der Flop stattdessen K-Herz, 3-Herz, 8-Pik bringt? Wir hätten diesmal einen Flush Draw und ein Paar Achten. Und mit einem Paar Achten werden wir den Showdown in manchen Fällen auch dann gewinnen, wenn sich unser Blatt nicht weiter verbessert. Wenn wir einen gewissen direkten Showdown Value haben (wie ein Paar oder As hoch mit einem hohen Kicker in einem Heads-up-Pot), können wir uns für eine passivere Spielweise unseres Draws entscheiden. Das Ziel ist es hierbei, diese Blätter billiger zum Showdown zu bringen. Dies gilt insbesondere dann, wenn wir einen aggressiven Gegenspieler haben.

Und das führt uns zu der Betrachtung von Manövern, mit denen wir die Spielweise bestimmter Spielertypen zu unserem Vorteil ausnutzen (exploitative Play). Wenn wir in einem Pot mit einem sehr starken Spieler sind, der ausgewogene Strategien anwendet, sollten wir idealerweise einige Draws sowohl in unserer Calling Range haben als auch einige in unserer Raising Range. Auf diese Art sorgen wir dafür, dass auch unsere eigene Spielweise ausgewogen ist, wie in Teil 1 dieses Artikels bereits diskutiert.

Wenn wir gegen starke Spieler spielen und unseren Draw treffen, ist es essenziell, dass es so aussieht, als ob wir ihn haben könnten, und zwar unabhängig davon, ob wir die vorherige Einsatzrunde aggressiv oder passiv gespielt haben. Was ist mit solchen Spielern, bei denen wir von dieser ausgewogenen Strategie abweichen können, um ihre Spielweise auszunutzen? Nun, dann sollten wir dies auch tun. Im Folgenden gehen wir auf einige allgemeine Kategorien ein. Ich weiß aus Erfahrung, dass einige Leser diese Kategorien spitzfindig als zu steif kritisieren werden oder als nicht anwendbar auf ein ausreichend breites Spektrum von Gegnern etc.

Natürlich ist „tight-passiv“ eine Verallgemeinerung und es kann eine ganze Bandbreite von Spielern mit jeweils unterschiedlicher Spielweise geben, die in diese allgemeine Kategorie fallen. Denke bitte daran, dass es sich hier um allgemeine Klassifizierungen handelt. Du solltest dein Spiel immer auf deinen individuellen Gegner anpassen, und zwar jeweils in der Art und Weise, in der du seine spezifischen Schwachstellen am besten ausnutzt! Dies vorangestellt, lass uns nun einen Blick darauf werfen, wie wir unser Spiel mit einem Draw gegen einige generelle Spielertypen anpassen sollten:

Tight-Passiv – Gegner, deren Spielweise tight/passiv ist, sind gute Kandidaten für einen Semi-Bluff! Sie machen zu viele Folds. Und sie schaffen es nicht, uns mit einem Raise von unserem Draw wegzujagen – selbst dann nicht, wenn sie ein sehr starkes Blatt haben. Hinzu kommt, dass dieser Spielertyp uns mit seinem in der Regel „ängstlichen“ Spielstil die geringste Chance auf einen hohen Gewinn beschert, wenn wir unser Blatt treffen. Deshalb ist es wenig sinnvoll, unsere Draws gegen diese Art von Gegner passiv zu spielen. In diesem Fall liegt bei unseren Semi-Bluffs das größere Gewicht auf der Bluff-Komponente. Es ist also sinnvoll, dies zu unserem Vorteil auszunutzen.

Loose-Passiv – Gegner, deren Spielweise loose/passiv ist, sind schlechte Kandidaten für einen Semi-Bluff. Das Problem ist, dass die Bluff-Komponente hierbei eine sehr viel kleinere Rolle spielt, als es normalerweise der Fall ist. Dies gilt insbesondere für die extremste Art von loose-passiven Spielern: die Calling Station. Deren Calling Ranges sind super weit, was wiederum eine effektive Strategie gegen Spieler ist, die zu viel bluffen! Also keine Bluffs gegen sie. Es hat auch sein Gutes, dass wir gegen sie mit unseren Draws keine Semi-Bluffs spielen sollten. Zunächst einmal ermöglicht uns ihre passive Spielweise, quasi gratis mehr Karten für unseren Draw zu kriegen. Wenn wir unseren Draw nicht treffen, sollten wir in der Regel einfach aufgeben.

Wenn wir mit unseren Karten „für umsonst“ bzw. für einen „günstigen Preis“ hingegen schließlich unseren Draw treffen, haben wir bei diesem Spielertyp die beste Chance auf einen hohen Gewinn – selbst dann, wenn wir große Bets setzen. Es ist sinnvoll, gegen loose-passive Spieler unsere Draws eher passiv zu spielen, die „Gratis“-Karten, die sie uns ermöglichen, abzuwarten und hohe Value Bets zu setzen, wenn wir unser Blatt treffen.

Loose-Aggressiv – Diese Art von Gegner ist ein plausibler Kandidat für Semi-Bluffs. Sie spielen weitere Ranges, d.h. sie haben insgesamt schwächere Ranges und öfter schlechtere Karten auf der Hand. Das wiederum macht sie leicht angreifbar für eine aggressive Spielweise. Dieser Spielertyp stellt jedoch möglicherweise die größte Gefahr dar, uns mit einem Raise von unserem Draw zu verjagen (oder dies zumindest zu versuchen).

Deshalb ist es angebracht, unsere Draws gegen ihn hin und wieder auch passiv zu spielen und auf die Gratis-Karten zu setzen. Dies ist insbesondere bei Draws mit einem gewissen Showdown Value sinnvoll, wie bei einem Paar oder As hoch mit starkem Kicker. Unsere vermeintlich „schwachen“ Spielzüge könnten unsere Gegner dazu veranlassen, diese öfter mit einem Bluff zu erwidern. Deshalb dienen diese Blätter gut als Bluff Catcher und gewährleisten gleichzeitig, dass wir die Equity unseres Monster Draws realisieren.

Tight-Aggressiv – Diese Spieler sind ebenfalls gute Kandidaten für Semi-Bluffs. Sie wissen, wie man foldet. Und wenn sie auf unseren Bluff hin nicht folden, wir jedoch am Ende das beste Blatt haben, haben wir mit ihnen auch bessere Chancen auf einen ansehnlichen Gewinn, und zwar aufgrund der Höhe des Pots, der ihnen geboten wird.

Hinzu kommt, dass dieser Spielertyp uns am ehesten in Ranges einordnen wird. Deshalb ist ein ausgewogenes Vorgehen essenziell, d.h. mit einigen Blättern in unserer Hand Range einfach ein Call und mit anderen ein Raise. Ein mögliches Vorgehen wäre ein Raise mit einigen unserer schwächsten und stärksten Draws und ein Call mit denen dazwischen. Ein Beispiel: Der Flop bringt K-Karo, 4-Herz, 5-Herz. Wir könnten uns hier mit einem Blatt wie 8-Karo, 6-Karo für ein Raise entscheiden. Dies ist einer der schwächeren Draws auf diesem Board: ein Gut Shot und ein Back Door Flush Draw ohne Overcards. Unser Blatt hat eine ziemlich schlechte Equity.

Deshalb brauchen wir möglicherweise die Bluff-Komponente eines Semi-Bluffs, um profitabel fortfahren zu können. Und wenn wir es mit einem Raise zu tun bekommen, ist es ein einfacher Fold. Der umgekehrte Fall wäre ein Draw wie 7-Herz, 6-Herz. Dieses Blatt gibt uns mit dem open-ended Straight Flush Draw eine so hohe Equity, dass uns ein Raise nichts ausmachen würde. Angesichts des zusätzlichen Gelds im Pot (der Overlay) und der damit gebotenen hohen Equity könnten wir sogar All-in gehen. Wenn unser Gegner auf unseren Raise hin foldet, gewinnen wir mit 7 hoch – fantastisch. Und wenn er uns ein Raise entgegenbringt, können wir einen All-in als Re-Raise in Angriff nehmen. Die Implementierung dieser Strategie gegen unsere TAG-Gegner wird zu einem gewissen Anschein von Ausgewogenheit in unseren Ranges führen, was uns zu schwereren Gegnern macht.

Abschließend lässt sich sagen: Wenn du überlegst, wie du mit einem Draw fortfährst, schalte nicht einfach auf Autopilot mit „Call, Call, Call“ oder Raise, Raise, Raise …“ Denke lieber darüber nach, wie du für einen höchstmöglichen Value sorgst und die Spielweise deiner Gegner am besten ausnutzt. Je mehr Fold Equity gegeben ist, desto mehr Value schlägst du heraus, indem du diese zu deinem Vorteil ausnutzt. Je höher die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Spieler dir einen hohen Gewinn beschert, desto attraktiver wird ein billiger Draw. Jeder Spielzug, der dir dabei hilft, Kapital aus den Lieblingsfehlern deiner Gegner zu schlagen, erhöht den langfristigen Value deiner Draws!

 

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