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Draws und Semi-Bluffs spielen #1

August 6, 2020
von PokerStarsSchool

Was ist Semi-Bluffing? Wie du weißt, wird Bluffing definiert als eine Bet oder ein Raise mit dem schlechtesten Blatt, um zu versuchen, seine Gegner mit besseren Blättern zu einem Fold zu bewegen. Ein Semi-Bluff ist dasselbe Vorhaben mit einem Pokerblatt, das zudem eine einigermaßen gute Equity am Pot hat, d.h. dir eine vernünftige Chance gibt, dass sich das Blatt verbessert und dich zum Gewinner der Hand macht, wenn du gecallt wirst.

Ein gutes Beispiel dafür wäre ein Flush Draw, 9 hoch: Du bleibst mit 98s bis zum Flop, der dir den Draw bringt. Du hast nun die Möglichkeit, mit der Action mitzugehen und darauf zu hoffen, dass du den Flush triffst. Doch sollte sich dein Blatt nicht verbessern, so hast du am Ende nur 9 hoch und damit allein wirst du den Pot nicht gewinnen.

Du kannst dich aber auch mit deinem Flush Draw, 9 hoch für eine aggressive Vorgehensweise entscheiden. Damit hättest du zwei Möglichkeiten, den Pot zu gewinnen. Die erste davon wäre ein Fold von deinem/deinen Gegenspieler/n, womit du, ohne dein Blatt verbessern zu müssen, den Pot kassierst. Und wenn das nicht klappt, hast du immer noch die Chance, deinen Draw zu treffen und die Hand beim Showdown zu gewinnen.

Nachdem wir nun den Semi-Bluff definiert haben, stellt sich die Frage, wann wir ihn am Tisch einsetzen sollten. Viele Spieler gehen ins Extreme. Anfangs spielen sie keinen einzigen Draw aggressiv. Doch wenn sie erst einmal herausgefunden haben, was für ein wirkungsvolles Mittel ein Semi-Bluff ist, fallen sie ins entgegengesetzte Extrem und spielen jeden ihrer Draws aggressiv. Natürlich haben beide Strategien ihre Makel. Es gibt Situationen, in denen ein einfacher Call mit einem Draw angebracht ist, aber auch solche, die ideal sind für einen aggressiven Semi-Bluff.

Schauen wir uns einmal einige der Vor- und Nachteile der beiden Vorgehensweisen an, also der passiven und der aggressiven Spielweise eines Draws.

Der Hauptvorteil der passiven Spielweise ist, dass wir ohne großen Einsatz unseren Draw abwarten können und so den Verlust niedrig halten, wenn er danebengeht. Die Hauptnachteile der passiven Spielweise sind zum einen, dass wir unser Blatt verbessern müssen, um die Hand zu gewinnen. Zum anderen führt sie zu einem kleineren Pot in den Fällen, in denen wir den Draw treffen. Dies wiederum macht es unserem Gegenspieler einfacher, aus der Hand auszusteigen und uns mit unserem getroffenen Draw allein zu lassen.

Betrachten wir nun im Gegensatz dazu die Vor- und Nachteile der aggressiven Spielweise eines Draws.

– Zwei Gewinnmöglichkeiten: Wie bereits erwähnt, haben wir die Chance, den Pot auf der Stelle zu gewinnen, wenn unsere Gegenspieler folden. Es kann aber auch passieren, dass unser Draw ins Wasser fällt, wenn sie nicht folden.

– Irreführung unserer Gegner: Spielen wir gerade unser fertiges Blatt aggressiv oder spielen wir einen Draw? Mehr dazu später.

– Bei einem größeren Pot bleiben die Gegner eher im Spiel: Wenn unser Gegenspieler nicht gepasst hat und wir unser Blatt schließlich verbessern, fällt es ihm möglicherweise schwerer, auszusteigen.

Die aggressive Spielweise eines Draws birgt auch einige Nachteile, wie die folgenden:

– Wir treiben den Preis für den Draw in die Höhe: Dies kann in gewissen Situationen ein relevanter Faktor sein. Wir gehen im nächsten Artikel näher darauf ein. Dieser wird jedoch oft durch unsere Fold Equity mehr als wieder gut gemacht, also durch die Male, bei denen wir den Pot gewinnen, ohne dass unser Blatt das beste werden muss.

– Es wird möglich, dass wir mit einem Raise von unserem Draw weggejagt werden: Was passiert, wenn unser Gegenspieler eine Bet macht und wir daraufhin einen Raise als Semi-Bluff machen, er diesen jedoch mit einem völlig überhöhten Re-Raise erwidert? Der Preis wäre nun möglicherweise zu hoch, um mit unserem Draw fortzufahren, womit uns nur ein Fold übrig bliebe – und das gegen ein vermutlich recht starkes Blatt, mit dem unser Gegner uns „bezahlt“ hätte, wenn wir einfach nur mitgegangen und so den Draw günstig vervollständigt hätten.

Jedoch wird auch dieser Faktor oft durch den Vorteil der Fold Equity übertrumpft. Dieser Fall kommt zudem möglicherweise nur selten vor. Die Voraussetzungen dafür sind, dass wir einen Draw erhalten, wir eine Bet mit einem Raise erwidern und unser Gegenspieler ein sehr starkes Blatt hat, mit dem er dann noch ein Raise in einer solchen Höhe spielt, dass der Preis für uns zu hoch wird. Diese Reihe von Ereignissen tritt einfach nicht oft ein.

Wenn du den Eindruck gewonnen hast, dass es eine Menge Vorteile bringt, Draws aggressiv zu spielen, dann liegst du damit goldrichtig. Doch warum entscheiden wir uns nicht jedes Mal für eine aggressive Spielweise mit unseren Draws?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Gehen wir einmal auf einige davon näher ein.

– Es ist nicht immer die optimale Spielweise: Es gibt Situationen, in denen dies einfach nicht das optimale Vorgehen ist. Wenn es beispielsweise eine Bet in einem Multiway-Pot mit mehreren Calling Stations gibt, wäre ein Raise mit einem Draw ganz sicher suboptimal. Die Art von Gegenspieler, mit der wir es zu tun haben, kann tatsächlich ein ausschlaggebender Faktor bei der Entscheidung sein, ob wir einen Draw aggressiv spielen oder nicht. Wir behandeln dieses Thema im nächsten Artikel.

– Berechenbarkeit: Clevere Spieler werden es bemerken, wenn wir mit unseren Draws immer ein Raise spielen. Wenn wir dann einmal kein Raise spielen, können sie Draws aus unserer Range ausschließen. Eine Karte, die einen möglichen Flush oder Straight vervollständigt, wird ihnen also keine Angst machen.

– Balance: Balance führt zu Unvorhersehbarkeit. Und wenn du erst einmal in den Stakes aufsteigst und es mit fortgeschritteneren Spielern zu tun bekommst, werden ausgewogene Ranges noch mal bedeutend wichtiger. Kurz gesagt, wenn du deine Draws immer mal wieder unterschiedlich spielst, also mal eine Bet mit einem Raise und mal mit einem Call erwiderst oder selbst einen Check oder eine Bet machst, wirst du in den Situationen, in denen du den Draw vervollständigst, immer eine Bedrohung sein, da du alles Mögliche haben könntest. Und das macht dich zu einem schwereren Gegner.

Zu lernen, wann du Draws aggressiv mit einem Semi-Bluff angehen und wann du sie eher passiv spielen solltest, wird dir zu einem ausgewogenen, wohlüberlegten Spiel verhelfen und dich zu einem besseren und flexibleren Spieler machen.

An diesem Aspekt deines Spiels zu arbeiten wird dir dabei helfen, bessere Ergebnisse zu erzielen. Im zweiten Teil befassen wir uns damit, wie du deine Spielweise mit Draws an bestimmte Spielertypen anpasst und ihre Spielweise wiederum zu deinem Vorteil ausnutzt (Exploitation genannt).

 

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