Pot-Odds und der 50/50-Fehlschluss
Heute wollen wir uns mit einem menschlichen Instinkt befassen, der im Poker äußerst gefährlich sein kann. Wir sind darauf programmiert, Dinge zu tun, die mehr gut als schlecht sind – und Dinge zu vermeiden, die mehr schlecht als gut sind. Unser Unbewusstsein liebt es, die Schwelle von 50% „gut“ bzw. „richtig“ als Ankerpunkt zu nehmen.
Leute laufen Marathons, weil sie glauben, die gesundheitlichen Vorteile, der Adrenalinrausch und das Gefühl, etwas erreicht zu haben, überwiegen die stechenden Lungenschmerzen und den Muskelkater in den Beinen. Leute essen keine heißen Kohlen, weil es sich nicht lohnt, sich furchtbar den Mund zu verbrennen, nur um vor Freunden damit angeben zu können. Beim Poker spielen müssen wir ständig Dinge tun, die mehr schlecht als gut sind. Wir müssen oft Geld in einen Pot investieren, den wir üblicherweise verlieren.
Das alles liegt an den Pot-Odds. Bevor wir uns näher mit den psychologischen Aspekten auseinandersetzen, sollten wir uns noch mal kurz in Erinnerung rufen, wie Pot-Odds funktionieren.
Die Pot-Odds bei einem Einsatz
Wenn wir uns einem Einsatz gegenübersehen, der geringer als der Pot ist, brauchen wir immer weniger als 33% Equity, um von einem Call zu profitieren. Stellen wir uns vor, der Pot beträgt $100 und der Gegner setzt auf dem River $50. Wir müssen weitere $50 in einen Pot investieren, der durch diesen Call auf $200 ansteigt. Das bedeutet, unsere Investition bildet 25% des endgültigen Pots. Wenn wir also langfristig 25% des Pots wieder hereinholen, erhalten wir unsere Investition zurück. Das bedeutet, um keine Verluste zu machen, brauchen wir Gewinnchancen von 25%.
Wie der 50/50-Fehlschluss zu schlechten Folds führt
Ich habe heute Morgen eine Hand bei 100NL ZOOM gespielt, die folgendermaßen lief.
Ein Gelegenheitsspieler, gegen den ich noch nie gespielt hatte, eröffnete als Hijack mit $3. Ich habe auf dem Button mit Herz-Dame/Pik-Dame eine 3-Bet auf $9,50 gesetzt. Der Gegner hat gecallt und auf dem Flop kamen Karo-As/Kreuz-Bube/Herz-5. Der Gegner hat gecheckt und ich schloss mich an. Gegen einen unbekannten schwächeren Spieler ist das hier der beste Zug, denn solche Spieler bringen oft schlechte Turn- und River-Einsätze, aber machen wenig Fehler gegen einen Einsatz, wenn wir dieses mittelstarke Blatt halten.
Auf dem Turn mit Karo-2 betrug der Pot $20,50 und der Gegner setze $10. Der Call hier ist selbstverständlich.
Der River war wieder nichts, Kreuz-8, und der Gegner setze $19 zu den $40,50, die bereits im Pot waren. Da dieser Einsatz etwas weniger als die Hälfte des Pots ausmacht, brauche ich weniger als 25% Equity, damit sich der Call lohnt.
Diese Situation ist mehr schlecht als gut.
In der Mehrzahl der Fälle würde ich hier gegen Ax oder besser verlieren. Meiner Meinung nach ist aber im Pot-Anteil des schwächeren Spielers genug Volatilität, dass ich rund 30% – 40% solcher Pots gewinne. Das ist weit mehr als das Ziel von 25% Equity. Wenn ich hier auf das instinktive Denkmuster von „mehr schlecht als gut“ vertrauen würde, das man normalerweise im Leben nutzt, würde ich einen schlechten Fold machen und langfristig weniger gewinnen als mit einem Call.
Ich mache also den Call und verliere gegen Kreuz-As/Kreuz-Bube. Wenn ich calle, um nur in 25% der Fälle zu gewinnen, verliere ich natürlich oft – das ist mir völlig klar. Die Situation mag finanziell mehr schlecht als gut sein, aber der Call ist dennoch mehr gut als schlecht. Ich sollte meinen Call nicht infrage stellen, nur weil ich verloren habe – denn ich habe längst akzeptiert, dass ich normalerweise verliere!
Die Pot-Odds eines Bluffs auf dem River
Wenn wir mit einem Pokerblatt, das immer verliert, einen Einsatz abgeben, ist es ein reiner Bluff. Nehmen wir mal an, dass wir auf dem River ein Drittel des Pots als günstigen Bluff setzen. Der Pot beträgt $300 und wir setzen $100, um den unteren Bereich der gegnerischen Range zum Folden zu bringen. Wir riskieren einen Teil, um drei Teile zu gewinnen. Unser einer Teil fließt in den Pot, der nun aus vier Teilen besteht – so bildet er 25% des neuen Pots. Wenn der Gegner in einem Viertel der Fälle foldet, erhalten wir diese $100 langfristig gesehen zurück. Wenn er nur etwas häufiger foldet als das, wird der Bluff profitabel: Wir erhalten die $100 plus ein paar Groschen obendrauf.
Häufig können wir die Gegner mit so kleinen Bluffs in mehr als einem Viertel der Fälle zum Folden bringen – trotzdem schrecken viele Spieler vor einem solchen Bluff zurück. Warum? Weil man das Gefühl hat, dass man normalerweise gecallt wird. Es fühlt sich mehr schlecht als gut an!
Wie der 50/50-Fehlschluss dafür sorgt, dass wir sinnvolle Bluffs vermeiden
Neulich habe ich als Small Blind mit Kreuz-10/Kreuz-7 für $3 eröffnet und ein geübter regelmäßiger Spieler auf dem Big Blind hat gecallt.
Auf dem Flop erschien Pik-6/Pik-4/Karo-2. Ich habe gecheckt und hatte schon vor, diese hoffnungslose Hand aufzugeben. Der Gegner checkte ebenfalls und auf dem Turn kam die Herz-8. Ich habe ein Drittel des Pots gesetzt und der Gegner hat gecallt. Das ist ein sehr häufiger Zug in der Spieltheorie, nachdem der Gegner seine Hand Range durch den Check auf dem Flop bereits begrenzt hat. Er wird hier viel Müll haben, der mich im Showdown schlagen würde, also bin ich geneigt, viele kleine Einsätze zu bringen.
Als River kam die Karo-3. Ich setzte mit meinem völlig wertlosen Blatt wieder ein Drittel des Pots! Wenn wir den Gegner damit dazu bringen, einen großen Teil seiner Könige hoch und Asse hoch zu folden, wirft er deutlich mehr als 25% seiner Range weg. Dieser Einsatz sollte weniger Geld verlieren als ein Check. Es ist aber gleichzeitig wahr, dass mein Einsatz in den meisten Fällen gecallt wird, sodass ich noch mehr Geld verliere. Instinktiv will man an dieser Stelle folden, denn natürlich gefällt einem die Vorstellung nicht, Geld zu investieren, das man voraussichtlich verliert. Ich muss dieses falsche Denkmuster überwinden, um den profitablen Bluff zu finden.
Dieses Mal raist der Gegner und ich folde. Das ist okay. Ich hatte schon akzeptiert, das Extrageld zu verlieren. Immer noch besser als zu checken!
Fazit
Aufgrund des 50/50-Fehlschlusses ignoriert man das wichtigste Prinzip des gesamten Spiels: die Pot-Odds. Lass dich dadurch nicht dazu verführen, auf nicht-statistische Weise zu denken. Im Poker braucht man diese mathematische Perspektive. Die Wichtigkeit von Pot-Odds kann man nicht überschätzen.