Bluffs finden, wo andere nichts sehen
Die einfachste Art eines Fold, den man machen kann, kommt an einer Stelle vor, an der Spieler nicht genug bluffen. Besonders bei hohen verbundenen Boards und großen Pots neigt der durchschnittliche Spieler dazu, nicht genug Luftnummern in seine Einsatzrange aufzunehmen.
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Wenn jemand setzt und jemand anders callt, werden die Hand Ranges gefiltert. Ein Spieler würde den Einsatz nicht mit allen Blättern callen – seine Range umfasst also nicht mehr seine schlechtesten Blätter. So geht es weiter, wenn in der Hand mehrere Einsätze platziert werden. Die menschliche Range neigt dann eher zu Value- und Draw-Blättern. Wenn auf dem Turn oder River viele Draw-Karten erscheinen und noch mehr Geld in die Mitte wandert, fällt es Spielern schwer, Blätter zum Bluffen zu finden.
Die Zukunft vorhersagen
Dass Spieler zu sehr Value lastigen Ranges tendieren, liegt vor allem daran, dass sie nicht schnell genug ihre Fantasie nutzen. Jeder Spieler sollte die wichtige Fähigkeit trainieren, zu erkennen, wann das eigene Pokerblatt bezüglich seines Showdown-Werts am unteren Rand der eigenen Range liegt. Wenn man diese Blätter in solchen Fällen nie als Bluff einsetzt, setzt man mit einer vorhersehbar starken Range.
Wie man unnatürlich wirkende Bluffs findet
Vor einer halben Stunde habe ich eine Hand bei 100NL ZOOM gespielt. Ich war rechts vom Button und habe mit Karo-10/Herz-10 (10♦ 10♥ ) für $2,39 eröffnet. Der Gegner im Big Blind setzte eine 3-Bet auf $10 und ich habe gecallt. Mein Blatt ist ein reiner Call. An späterer Position könnte ich mit einem Paar Zehnen auch eine 4-Bet bringen, aber nicht rechts vom Button.
Auf dem Flop mit Karo-As/Pik-König/Karo-8 (A♦ K♠ 8♦ ) setzte der Gegner ein Drittel des $20,50 Pots, wie es die meisten Spieler an dieser Stelle mit ihrer Range machen würden. Laut Solver ist mein Blatt eine Mischung aus Call und Fold. Wenn man hier mit einem niedrigeren Paar einen kleinen Einsatz mitmacht, sollte man unbedingt eins der besseren niedrigen Paare und eine Flush-Draw-Option haben – andernfalls ist der EV gegen einen guten Spieler einfach zu niedrig. Wenn der Gegner aber zu friedlich ist und auf Turn und River nicht genug blufft, sollte man das Blatt immer callen. Diesmal entscheide ich mich für einen Call.
Auf dem Turn (mit $33,36 im Pot) kommt der Pik-Bube und mein Gegner checkt. Das ist für mich sehr gut, denn die meisten Spieler würden hier nicht mit den Nuts checken. Ihre Ranges sind normalerweise unzureichend geschützt. Ich muss mir nichts vormachen: Mein Blatt hat jetzt einen sehr mickrigen Showdown-Wert. Es ist aber auch eins der wenigen Blätter in meiner Range, mit dem ich mit vernünftiger Equity bluffen kann. Ich könnte hier auch Blätter wie Bube-10 für einen Bluff nehmen, aber abgesehen davon gibt es wenig lohnenswerte Optionen.
Gleichzeitig enthält meine Range jede Menge Value-Kombinationen wie Dame-10 einfarbig (QTs), As-Bube einfarbig (AJs), Dame-Bube einfarbig (QJs) usw. Wenn der Pool Aggression sieht, foldet er auf dem River in der Regel oft, da ein Call mit Blättern wie As-Dame gegen die meisten Spieler nicht sehr vielversprechend ist. Ein Solver würde mit einem solchen Blatt auf dem Turn callen und auf dem River noch meistens callen, denn er will verhindern, dass der Gegner durch einen Bluff Geld gewinnt. Mein Plan ist also, auf dem Turn zu setzen, auf dem River mit einer Dame abzuräumen oder andernfalls den Bluff durchzuziehen. Ich setze $18,65 und der Gegner callt.
Auf dem River kommt die wertlose Kreuz-6 (6♣ ). Der Gegner checkt und ich gehe All-in. Mit den meisten seiner As-Damen (AQ) und allen seiner Two Pairs oder besser sollte er hier callen – ausgenommen König-Bube einfarbig, was viele meiner Bluffs – Bube-10 einfarbig (JTs), König-10 einfarbig (KTs) – blockieren würden. Ich setze darauf, dass mein Gegner nicht genug dieser Ein-Paar-Calls findet.
Der Gegner vernichtet mein Bluff-Blatt mit Herz-As/Kreuz-As (A♥ A♣ ). Die normale Definition eines „Coolers“ lautet, „einen großen Pot an einer unvermeidlichen Stelle verlieren“. Auch wenn diese Definition hier vielleicht nicht greift, ist diese Hand für mich sehr wohl ein Cooler.
Obwohl ich hätte vermeiden können, einen Stack gegen das beste Paar zu bluffen, erwarte ich vom Gegner, hier genug zu folden, damit ein Bluff auf dem Turn und River besser ist, als mit Zehnen aufzugeben. Selbst wenn der Pool hier nicht so viel foldet, wie ich vermute, ist mein Bluff in der Theorie keine Katastrophe und für die Balance hin und wieder nötig.
Der Gegner hat die Hand gut gespielt. Das beste Paar ist extrem gut darin, meine schwächeren Call-Blätter zu blockieren, sodass Value-Einsätze im Vergleich zum Check die schlechtere Wahl sind. Außerdem entblocken die Asse viele meiner Bluffs, die angesichts des riesigen Showdown-Werts von Ax nie ein As enthalten.
Eine gute Hand vom Gegner. Aber was hätte er mit As-Dame (AQ) oder As-König (AK) auf dem River gemacht? Der Sinn meiner Spielweise basierte darauf, dass diese Kombinationen häufiger gefoldet werden als theoretisch sinnvoll.
Zusammenfassung
- Den meisten fällt es schwer, bei einem hohen Board Bluffs zu finden – vor allem, wenn die Ranges bereits gefiltert wurden.
- Bluffs zu finden, die die meisten anderen nicht sehen, erhöht den EV gegen den geübten Durchschnittsspieler.
- Ich habe 10-10 (TT) als ein Beispiel für einen dieser Bluffs in dieser Hand genommen.
- Durch eine Kombination aus Spieltheorie und ausbeuterischen Annahmen bin ich zu dem Schluss gelangt, dass ich auf dem Turn und River bluffen sollte.
- Es ist nicht sinnvoll, beim besten Paar immer zu folden – ich sollte mich also nicht über diese Hand ärgern, nur weil ich diesmal gecallt wurde!