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Pokerentscheidungen per Instinkt treffen

Juli 1, 2020
von PokerStarsSchool

Intuition ist eine Form von Erwartung, bei der man nicht bewusst, sondern unbewusst zu einem bestimmten Ergebnis kommt. Im Poker bedeutet das, eine Entscheidung zu treffen, ohne eine logische Erklärung dafür zu haben – und trotzdem das Gefühl zu haben, dass die Entscheidung richtig ist. Ich würde das Thema gern etwas breiter besprechen. Der Artikel ist also eher philosophisch als eine praktische Anleitung.

Welche Rolle spielt Intuition im Poker?

Warum ist Intuition im Poker wichtig und warum sprechen wir so oft davon? Die Antwort ist offensichtlich. Pokerspielen bedeutet, eine Reihe von Entscheidungen zu treffen. Selbst wenn jemand nur an einem Tisch spielt, muss er alle 30 Sekunden eine Entscheidung treffen. Ein Profispieler, der gleichzeitig an 8 bis 10 Tischen spielt, trifft 15 bis 20 Entscheidungen pro Minute – das heißt, ihm bleiben für jede Entscheidung nur 3 bis 4 Sekunden. Es ist sehr wichtig zu betonen, dass man im Poker – unabhängig davon, ob es eine gute Entscheidung ist – entscheiden muss. Außerdem sollte man sich beeilen, denn man hat nur begrenzt Zeit. Oft hat man nicht Zeit, alle Einzelheiten abzuwägen. Man ist also gezwungen, eine instinktive Entscheidung zu treffen. Es leuchtet ein, dass jemand, der in solchen Situationen die richtige Entscheidung trifft, langfristig einen Vorteil hat.

Was man nicht tun sollte

Zunächst mal sollte man nichts erzwingen. Intuition kommt entweder von allein oder überhaupt nicht. Man sollte sich nie davon überzeugen. Es gibt besonders intuitive Spieler, die das Bauchgefühl gegenüber Fakten- oder statistik-basierten Entscheidungen oder dem gesunden Menschenverstand vorziehen. Andere haben nie irgendwelche Eingebungen und müssen sich auf ihr Wissen und ihre Erfahrung verlassen.

Andererseits sollte man nie erwarten, bei zufälligen Dingen eine Intuition zu haben. Meiner Meinung nach, kann man Instinkte nur für Dinge entwickeln, mit denen man einige Erfahrung hat. Ich habe mir mal einen Poker-Podcast angehört, in dem der Moderator gefragt wurde, inwieweit er seine Instinkte schätzt. Der Moderator hat geantwortet, dass er ihnen fast immer traut und oft auf dieser Grundlage entscheidet. Intuition im Poker hat aber nichts mit Fantasie zu tun – man sollte kein Suited-Blatt spielen, nur weil man das Gefühl hat, einen Flush zu erzielen. Nein, Intuition ist nur dann relevant, wenn es um Entscheidungen wie, „blufft mein Gegner“ oder, „hat er ein starkes Blatt“, geht. Man kann auch das Gefühl haben, dass ein geringes Blatt im Showdown gut werden könnte, aber man kann gewiss nicht erspüren, dass die Karten im Deck in einer bestimmten Reihenfolge vorliegen, nur weil man ein gutes Gefühl bei der Sache hat.

Wann man seinen Instinkten trauen sollte

Ich bin mir sicher, die folgenden Situationen sind euch auch schon passiert. Ihr habt auf dem River ein mittelstarkes Blatt, sagen wir mal ein Top Pair mit einem schwachen Kicker, und euer Gegner geht mit einem Overbet All-in. Ihr habt sofort den Eindruck, dass hier etwas nicht stimmt, aber es wäre zu teuer, es herauszufinden. Dann gehen euch bestimmte Gedanken durch den Kopf:

  • Sollte ich folden?
  • Sollte ich callen?
  • Hatte ich vorher schon mal eine solche Situation?
  • Was hatte der Gegner damals?
  • Oder hat dieser Spieler schon mal sowas gemacht?
  • Was kann er mit dieser Hand gewinnen oder verlieren?
  • Was kann ich verlieren, wenn ich mich falsch entscheide?
  • Habe ich irgendwelche Statistiken zu dieser Situation für diesen Gegner?
  • Nein, ist das gut oder schlecht?
  • Was denkt er über mich?
  • Welche Hand-Range kann ich in seinen Augen haben?

Weil eure Zeit drängt, trefft ihr eine Entscheidung. Ihr callt, euer Gegner hat geblufft und ihr gewinnt einen riesigen Pot.

Was ist hier eigentlich passiert? Du konntest nicht über jede kleine Einzelheit nachdenken und du konntest auch nicht sagen, warum du deine Entscheidung getroffen hast – aber sie war richtig. Weder die verfügbare Zeit noch die verfügbaren Informationen reichten aus, um deinen Zug mit Gewissheit auszuführen. Wir hatten den Eindruck, dass der Gegner oft genug bluffen kann, sodass der Erwartungswert des Calls gut sein wird.

Das anfängliche Bauchgefühl

Wahre Intuition ist der Eindruck, der dir in weniger als einer Sekunde schwant. Noch bevor du drüber nachgedacht hast, hattest du bereits einen starken Eindruck. Wir nennen das den ersten Eindruck. Wenn ihr aus diesem Artikel nur einen wichtigen Rat mitnehmt, dann den, diesen Eindrücken zu vertrauen. Ich behaupte gern, dass der erste Eindruck in mehr als 75% der Fälle der richtige ist. Es gibt Spieler, die selbst in 90% – 95% der Fälle richtigliegen. Wenn wir Zeit und viele Informationen haben, ist das beste Vorgehen, alles gründlich zu überdenken. Ich rate euch aber, nicht zu weit vom ersten Eindruck abzukommen, sofern ihr nicht einen guten Grund dafür habt.

Gabe oder Wissen?

Meiner Meinung nach erinnert Pokerintuition eher an Wissen als an eine Art Superkraft. Im ersten Teil habe ich das bereits erwähnt, aber wiederholen wir es noch mal: Man kann Instinkte nur für Dinge entwickeln, mit denen man einige Erfahrung hat. In einer konkreten Situation, in der man eine Entscheidung treffen muss, zählen alle ähnlichen Situationen, die man bereits erlebt hat, als Informationen. Das bedeutet, Spieler mit guten Instinkten können viel aus vergangenen Spielsituationen ziehen. Der Punkt ist, wenn es nicht bewusst ist, nennt man es Instinkt. Meiner Meinung nach gilt: Je mehr Hände ein Spieler gespielt hat, desto besser kann er in unerwarteten Situationen reagieren.

Wie können wir diesen Sinn schärfen?

Laut professionellen Quellen kann man diese Fähigkeiten verbessern. Wenn man akzeptiert, dass Intuition nichts anderes als der unbewusste Abruf von unbewusst gespeicherten Informationen ist, akzeptiert man auch, dass diese Informationsbibliothek erweitert werden kann – womit man seine Fähigkeiten verbessert. Das menschliche Gehirn ist wie ein Schwamm, der Informationen sammelt und speichert.

Praktisch bedeutet das, je mehr Hände ein Spieler im Laufe seiner Karriere spielt, analysiert oder sieht, desto besser werden seine Instinkte. Die professionelle Haltung, das Lernen und die Arbeit im Hintergrund spielen eine wichtige Rolle in unserer Pokerkarriere. Natürlich sind auch die persönlichen Fähigkeiten und das Talent entscheidend, aber ich bin mir sicher, mit genug Willenskraft und Übung kann jeder ein hohes Level erreichen.

PokerStars Hand Replayer

Während ihr grad an mehreren Tischen spielt, habt ihr natürlich keine Zeit, eure Hände zu analysieren – die Analyse ist ein separater Vorgang, den man außerhalb des Spielens angeht. Aber ihr habt immer ein paar Sekunden Zeit, um eure Hände schnell zu wiederholen. Der PokerStars Hand Replayer ist dazu perfekt – ihr erreicht ihn an allen Pokertischen mit nur einem Klick. Ich verwende das Feature ständig. Ich rate euch, immer auf die Einsatzhöhen eurer Gegner zu achten – ein Schlüssel, um wichtige Informationen zu erhalten.

Die intuitive Gabe entwickeln

Wenn ihr während eurer Sitzung ein bisschen mehr Zeit habt, solltet ihr euch auch Hände anschauen, an denen ihr nicht beteiligt wart. Wenn ich einen Moment Zeit habe, schaue ich mir gern alle Hände an, in denen ich einen großen Pot gespielt habe, und denen ich während des Spiels nicht folgen konnte. Wenn es am Ende der Hand zum Showdown kommt, ist es das Beste. In solchen Situationen pausiere ich den Hand Replayer und versuche zu erraten, welche Blätter die Spieler haben. Ich versuche auch, ihren Gedankengang bei dieser Hand zu ergründen und warum sie einen bestimmten Zug gewählt haben.

Mit dieser interaktiven Wiederholung könnt ihr alle Informationen über die Tendenzen eurer Gegner und über ihre Fehler sammeln. Das könnte aus zwei unterschiedlichen Gründen sinnvoll sein. Zum einen kannst du die Informationen in derselben Sitzung gegen deinen Gegner verwenden, wenn er denselben Fehler wiederholt oder dieselbe Einsatz-Strategie wählt. Das bietet dir Einblicke in seine Blatt-Stärke, die du ausnutzen kannst. Zum anderen funktioniert unser Gehirn, wie ich bereits erwähnte, wie ein Schwamm – es saugt Informationen förmlich auf und führt unbewusst Statistiken. Wenn wir in Situationen sind, die bereits erlebten Situationen ähneln, findet unser Gehirn die richtige Antwort viel einfacher.

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