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Der Nutzen von Bluffs

Oktober 8, 2020
von PokerStarsSchool

Was die wirklich guten aggressiven Spieler von den schlechten Stammspielern unterscheidet, ist ihre Fähigkeit, Bluffs zu erkennen, die sich positiv auf ihre Range auswirken. Ein großer, aus drei Bets in drei Einsatzrunden bestehender Bluff (Triple Barrel Bluff) bei einem 3-Bet-Pot wird dir in der aktuellen Situation nicht immer eine Menge Geld einbringen – allerdings wird er dich zu einem sehr viel schwierigeren Gegner machen.

Dadurch, dass die besten Spieler eine Gelegenheit für einen Bluff erkennen, wenn passivere Spieler mehr auf die Höhe des möglichen Gewinns achten, zwingen sie dich, mehr zu callen, wenn sie ein hochwertiges Blatt haben. So könnten sie einen Bluff mit einem EV von Plus/Minus Null (einen 0 EV Bluff) spielen, um dafür in Zukunft mehr Geld mit ihren Assen zu gewinnen.

 

Der passive Stammspieler hingegen wird nur dann einen Triple Barrel wagen, wenn er die Nuts hat. Wenn du erst einmal den Verdacht hast, dass er sich nicht traut, wird dir das gegen seine Asse eine Menge Geld sparen. Schauen wir uns ein Beispiel an.

Triple Barrel oder kein Triple Barrel in der folgenden Hand?

Hier ist eine 100NL Zoom-Hand von meinem Stream neulich. Ich hatte mich hier selbst dazu überredet, keinen Bluff zu machen in einer Situation, die ein gutes Beispiel für einen Bluff mit Plus/Minus Null EV war. Im Folgenden wollen wir die Hand analysieren und erörtern, warum es strategisch besser gewesen wäre, die Varianz einfach zu akzeptieren und den Bluff zu wagen.

Ich war im SB mit dem unbequemen Startblatt KcQh. Einer der besseren Stammspieler im Pool erhöhte UTG auf $2,50, woraufhin ich im SB eine 3-Bet auf $11 setzte, die der Villain mit einem Call erwiderte. Diesen Spielzug würde ich nur selten gegen den Spieler UTG machen. Der EV sollte jedoch ungefähr derselbe sein wie bei einem Fold, wenn wir von einer normalen Verteidigungsrange (Defence Range) und auch einer normalen 4-Bet-Häufigkeit unseres Gegners ausgehen.

Der Flop mit $21 im Pot brachte JhJd9s und ich machte eine C-Bet von $6,38. Der Flop bestand aus hauptsächlich uninteressanten Karten (Bricks). Für mich, als den Preflop 3-Bettor, bedeutete dies, dass ich den Vorteil meiner Overpairs (in meiner Range) und meiner Equity größtenteils bewahrt habe. Ich kann in solchen Situationen häufig setzen, da die nachteilige Range des Villain ihn öfter folden lässt, als wenn die Ranges gleich wären. Diese Fold Equity kommt meinem tatsächlichen Blatt zugute, weshalb ich keinen Grund für einen Check sehe. Wie üblich macht der Villain einen Call.

Auf dem Turn ($33,76) kommt die unbedeutende 4c. Theoretisch sollten wir mit unserem Blatt weiter setzen. Da das Blatt uns im Durchschnitt beim Checken nur einen geringen Anteil des Pots beschert und wir Blätter wie KcJc blocken. Zwei Broadway Cards in unserer Hand bedeuten, dass sich die Range unseres Gegners etwas mehr zu Underpairs hin und weg von Drillingen bewegt. Wenn wir ihn mit AK, AQ, ATs und 55 bis 77 zu einem Fold bewegen würden, wäre das ein fantastisches Ergebnis – deshalb sollten wir häufig setzen. Ich war der Ansicht, dass diese Bet gegen den Spielerpool in der Praxis genauso gute Ergebnisse bringt wie in der Theorie. Also entschied ich mich für eine Bet von $18,90. Der Villain geht wieder mit.

Der River ($71,56) bringt 2h. Ich habe nun eine All-in-Situation vorbereitet, bei der ich $66,82 setzen würde – etwas weniger als der Pot. Dies ist tatsächlich ein ungewöhnlicher Moment. Mein Gegner wird den River eher mit K-hoch als mit A-hoch erreichen. Der Grund dafür, dass seine Range so strukturiert ist, ist, dass er mit Blättern wie KTs und KQs relativ häufig einen weiteren Call auf dem Turn machen sollte. Würden wir hier nicht weiter setzen, so wären dies seine hauptsächlichen River Bluffs.

Mit nichts auf der Hand sollten wir dann öfter bluffen, wenn wir nicht gerade zwei dieser Straight Draw-Karten blocken. Deshalb ist AQ hier ein sehr viel besserer Bluff als KQ. Mit beiden Blättern würde dir ein Check hier nicht zugutekommen, jedoch gibt AQ dir die besseren Blocker. Für uns ist es besser, wenn er KQ hat!

Theoretisch würde ein All-in mit diesem Blatt einen EV von Null bedeuten. Er kann jedoch positiv werden, wenn unsere Mitspieler jetzt vermehrt TT und 88 abwerfen.

Theoretisch sollte unser Gegner mit T-T in einem Drittel aller Fälle unserem All-in folgen, mit 8-8 sogar in den meisten Fällen, wenn er bis jetzt in der Hand geblieben ist. 8-8 gibt uns mehr Möglichkeiten zu bluffen als T-T – ein überlegener „Bluff Catcher“. Hat unser Gegner Q-Q, müssten wir in der Hälfte der Fälle mit einem Fold von ihm rechnen. Das Blatt blockt eine Menge unserer Bluffs – fast jedes Blatt, das hier für einen Bluff infrage kommt, enthält eine Dame.

Ich glaube, dass die Spieler im Pool mit Q-Q deshalb oft mitgehen werden, weil sie tendenziell nur die Stärke ihres Blatts sehen und nicht die Blocker-Karten, die es mit sich bringt. Aus diesem Grund ist mir ein Bluff mit K-Q in diesem Spot sehr recht.

Ich habe keine Karten, die T-T oder 8-8 blocken, mit denen unsere Gegenspieler wahrscheinlich meistens folden werden, aber dafür blocke ich einige Drillinge sowie Q-Q. Ein Bluff wird mir hier keinen großen Gewinn einbringen, wenn überhaupt. Basierend auf meiner Analyse dieses Spots liegt der durchschnittliche Gewinn ziemlich nah bei Plus-/-minus Null.

Im Spiel habe ich gecheckt. Ich war nicht unbedingt in Risikostimmung, aber das war die falsche Einstellung (ein Mindset Leak). Auf lange Sicht gesehen wäre es besser gewesen, ich hätte drauf los gefeuert – und zwar aus folgendem Grund.

Positive Auswirkung auf deine Value-Blätter

Weshalb ein All-in mit K-Q eine gute Idee ist, obwohl der EV bei Plus-/-minus Null liegt: Wenn ich diese Art von Bluffs auf lange Sicht oft genug hinbekomme, werden meine Gegner im Pool es sich gut überlegen, ob sie ein gutes Blatt gegen mich folden. Dies erhöht den EV meiner wertvollen Blätter. Grundsätzlich muss ich zwischen zwei strategischen Optionen wählen.

Ich kann mich gegen diese 0EV Bluffs mit hoher Varianz entscheiden, was mich zu einem Spieler macht, der nicht genügend blufft. Dies wird dazu führen, dass ich weniger Geld mit meinen Value-Blättern gewinne. Und weil ich nicht viel bluffe, werde ich auch nicht die Früchte dafür ernten in Form von Folds meiner Gegner.

Ich setze also diese Bluffs mit Plus-/minus Null EV, um für weitaus höhere Gewinne mit meinen Value-Blättern zu sorgen. Und gleichzeitig kann ich auf diese Art die Spieler „bestrafen“, die sehr oft gegen mich folden.

Das ist eigentlich eine einfache Entscheidung! Es kann ein strategischer Fehler sein, einen Bluff nur deshalb sein zu lassen, weil er nicht besonders lukrativ ist. Gute Spieler werden dir irgendwann keinen Gewinn mehr für deine Value-Blätter überlassen.

Wenn du einen Bluff für sehr grenzwertig hältst, dann nimm ihn zumindest manchmal in Angriff. Deine Gewinnrate wird es dir danken, wenn deine Gegner nicht mehr die meisten Blätter in ihrer Range gegen deine Asse in der Hand niederlegen!

 

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