Warum du mit deiner mittleren Range keine Probe Turns machen solltest
Als „Probe Turn“ bezeichnet man einen Einsatz außer Position, nachdem ein Spieler, der vor dem Flop geraist hat, auf dem Flop checkt. Viele neuere Spieler machen in dieser Situation den großen Fehler, mit ihrer mittleren Range zu setzen. Solche Einsätze ergeben wenig Sinn – denn in diesem Fall würden fast alle besseren Blätter callen und alle schlechteren Pokerblätter folden. Schauen wir es uns mal genauer an.
Fehler 1 – Probe-Einsätze bei stabilem Showdown-Wert
Sagen wir mal, ein Blatt hat Showdown-Wert, weil es beim Showdown durchaus gewinnen kann, aber es ist nicht gut genug, um mit Value-Einsätzen viel Geld in den Pot zu bringen.
In einem Cashgame entscheidet sich der Big Blind mit 10♠ 9♠ , den 2,5 BB Eröffnungseinsatz des Spielers rechts vom Button zu callen, nachdem der Button und Small Blind bereits gefoldet haben. Als Flop erscheint K♦ Q♥ 10♣ und der Big Blind checkt. Der Spieler rechts vom Button checkt genauso. Auf dem Turn kommt 5♠ und der Big Blind setzt die Hälfte des Pots.
Das ist ein Riesenfehler – und doch würden viele Micro-Stakes-Spieler genau diesen Einsatz bringen, ohne mit der Wimper zu zucken. Als Begründung würden sie vermutlich so was sagen wie: „Ich denke, ich habe jetzt das beste Blatt.“ Aber zu glauben, dass man das beste Blatt hat, ist kein Grund zum Setzen. Es gibt nur drei gute Gründe für einen Einsatz.
Für Value – dabei will man den Pot aufbauen, weil man glaubt, man ist der Favorit, wenn der Einsatz gecallt wird.
Als Bluff – man bringt einen Einsatz, von dem man glaubt, dass der Gegner für diesen Preis genug bessere Blätter foldet.
Zum Schutz – man bringt einen Einsatz mit einem Blatt, das oft das Beste ist, damit der Gegner schlechtere Blätter mit signifikanter Equity gegen dein Blatt foldet.
Wenn keiner dieser Gründe vorliegt, gibt es auch keinen Grund, Geld in den Pot zu bringen. Ein solcher Einsatz hat vermutlich eine geringere EV (Erwartungswert) als ein Check. Wenn der Big Blind in dieser Hand auf dem Turn einen Probe-Einsatz bringt, dann ist das kein Value-Einsatz – denn er ist offensichtlich ein Underdog, wenn der Spieler rechts vom Button den Einsatz callt.
Es ist auch kein Bluff, denn kein Blatt schlechter als das dritte Paar würde hier folden. Der Big Blind setzt auch nicht zum Schutz. Zum einen hat er nicht oft genug das beste Blatt, um nur deshalb zu setzen. Der Spieler rechts vom Button hat keinen Grund, hier eine übermäßig schwache Range zu checken – und auch wenn seine Range begrenzt ist, enthält sie vermutlich viele bessere Ein-Paar-Blätter. Zum anderen ist das Paar Zehnen nicht gefährdet.
Selbst wenn der Big Blind den Spieler rechts vom Button zum Folden bringt: die Blätter, die der Spieler hier foldet, würden gegen 10-9 sowieso verlieren. Deinen Gegner dazu zu bringen, zwei oder drei Outs zu folden, lohnt sich nicht, wenn dein Check als Bluff Catcher für Blätter wie 5-5 oder As-2 dienen würde.
Der Einsatz vom Big Blind ist nicht nur sinnlos, sondern auch teuer. In vielen Fällen würde die Hand bis zum Showdown gecheckt und der Big Blind würde gegen eine Dame oder stärkere Zehn einen geringeren Pot verlieren. Außerdem garantiert der Big Blind mit seinem Einsatz praktisch, dass er mit Bluff Catching keinen Cent gewinnt. Wie soll der Spieler rechts vom Button jetzt mit 8-7 einfarbig bluffen?
Der Einsatz vom Big Blind ist also völlig daneben: Er begeht einen der fundamentalsten Fehler, die man beim Poker spielen nur machen kann. Wer solche Einsätze bringt, sollte sich noch mal mit den absoluten Pokergrundlagen befassen und fragen, wieso.
Fehler 2 – Probe-Einsätze mit dem absoluten Durchschnitt
Unser Spieler ist hier wieder der Big Blind und sein Spielzug kann uns als perfektes Beispiel dafür dienen, was man nicht machen sollte. Ein starker Spieler rechts vom Button eröffnet die Einsatzrunde und unser Antiheld callt – diesmal mit A♣ 7♣ .
Als Flop erscheint 8♦ 3♥ 3♣ . Bei solchen Flops, die dem Big Blind eine Reihe von Three of a Kinds bescheren könnten, lohnt sich für den Spieler rechts vom Button am ehesten ein Check. Wie im vorherigen Beispiel hat die Checking-Range des Spielers rechts vom Button aber einen EV-Vorteil gegenüber der breiten Range des Big Blinds.
Wenn ein guter Spieler mit einem Range-Vorteil anfängt, checkt er auf dem Flop nicht mit einer ungeschützten Range.
Das bedeutet, der Spieler rechts vom Button wird sein Blatt oft genug verteidigen, sodass leichtsinnige Probe-Turns für den Big Blind keine gute Idee sind. Leider ist der Big Blind kein erfahrener Spieler und lässt sich vorhersehbar zu einem Einsatz hinreißen: „weil der Gegner gecheckt hat“ oder „weil der Gegner Schwäche gezeigt hat“. Wie wir in Beispiel 1 gesehen haben, sind das beides keine guten Gründe für einen Einsatz – und hier erst recht nicht.
Der Spieler rechts vom Button hat mit seinem Check seine Range begrenzt. Es ist jetzt sehr unwahrscheinlich, dass er ein Full House hat – aber genauso wenig wird er Unmengen wertloser Blätter haben, denn damit würde er auf dem Flop eine Continuation Bet setzen. Seine Range ist hier sehr eng: Er hat also viele starke Blätter mit Showdown-Wert, um Bluffs abzufangen. Der Big Blind setzt die Hälfte des Pots und der Spieler rechts vom Button callt.
Das kann er mit jedem besseren As und diversen Paaren so machen. Er braucht kein starkes Blatt, um ein zufälliges Blatt zu schlagen. Der River bringt nichts und es bleibt bei Check-Check. Der Spieler rechts vom Button gewinnt mit A♦ J♦ – er hat die Hand gut gespielt.
Was genau hat der Big Blind falsch gemacht? Er hat ohne Grund gesetzt. Er hat mit dem absoluten Durchschnitt seiner Hand Range einen Einsatz gebracht, der nur von besseren Blättern gecallt wird und keine besseren Blätter zum Folden bringt.
Manchmal würde der Spieler rechts vom Button absoluten Müll folden, sodass der Big Blind etwas Schutz kassiert, aber weil seine Range geschützt ist, wird der Big Blind in der Regel gecallt und verliert deutlich mehr Geld als mit einem Check. Mit Einsätzen zum Schutz sichert man sich nur einen kleinen Teil des Pots, während ihn As-Bube einen ganzen Einsatz gekostet hat.
Lass dir die schlechten Entscheidungen des Big Blinds hier eine Lehre sein, wie man nicht Poker spielen sollte. Mach mit deiner mittleren Range keine Probe Turns – es sei denn, du hast einen guten Grund dafür. Das ist ein theoretischer Patzer und gegen die meisten Spieler ein großer Fehler.