Die drei Schritte, um einen großen Fold zu meistern
Ein großer Fold ist das Niederlegen eines Blatts von sehr hoher absoluter Blattstärke. Das bedeutet, dass wir ein Blatt folden, das unter normalen Umständen fast immer das beste Blatt gewesen wäre – und zwar, weil uns anhand der bisherigen Action und unserer Beobachtungen des individuellen Spielers bzw. der Spielteilnehmer im Allgemeinen bestimmte Hinweise (Reads) Grund zu der Annahme gegeben haben, dass unsere Gewinnwahrscheinlichkeit (Equity) nicht hoch genug für einen Call wäre.
Die Tage, in denen ein All-in mit einem Top Pair als Hohn angesehen wurde, sind vorbei. Heutzutage wird mit mehr Aggression gespielt als früher. Doch gibt es immer noch viele Situationen, in denen unsere Gegenspieler nicht genug bluffen und schließlich eine Menge Geld mit einer spitzenmäßigen Range in den Pot legen.
Manchmal kann sich ein Hero Fold unmöglich anfühlen. Hattest du jemals das schleichende Gefühl, dass dein Blatt selten, wenn überhaupt mal, gut ist? Und hast du dieses Gefühl schon einmal ignoriert, weil ein kleiner Teufel auf deiner Schulter geschrien hat, wie „verrückt“ es doch wäre, ein SO GUTES Blatt niederzulegen?
Im Folgenden findest du drei Schritte, die das Genie im Folden in dir wecken.

Schritt 1: Mach 5 bis 10 Sekunden gar nichts
Es ist eine ziemliche Herausforderung, einen Hero Fold hinzulegen, wenn du normalerweise mit einem starken Blatt auf eine Bet oder einen Raise von einiger Größe innerhalb weniger Sekunden mit einem Snap Call reagierst. Wenn wir ein gutes Blatt haben und unser Gegenspieler so spielt, dass es offenbar eine hohe Chance gibt, dass er ein sogar noch besseres hat, finden ein paar geistige und physische Prozesse in uns statt.
Das Adrenalin fließt durch den Körper. Das Herz schlägt schneller und der Verstand denkt hastiger und trägt Scheuklappen.
Unser Unterbewusstsein schaltet auf Kampfmodus. Eine Bedrohung + eine große Waffe in der Hand = Kampf.
Wir spüren einen starken Widerstand gegen das Folden, was dadurch verursacht wird, dass wir über Jahre hinweg Blätter mit einer derart hohen absoluten Blattstärke NICHT gefoldet haben. Der Gedanke an einen Fold stößt uns ab.
Wir können die ersten beiden dieser Emotionen loswerden, indem wir einfach erst einmal abwarten und uns darauf konzentrieren, den normalen körperlichen und emotionalen Zustand wiederherzustellen. Lass etwas Zeit vergehen und akzeptiere, dass der EV jetzt weitaus niedriger ist als noch vor einem Moment. Dein Blatt ist zwar sehr gut, dennoch sieht die Situation angesichts der aktuellen Geschehnisse nicht besonders lukrativ für dich aus.
Schritt 2: Ziehe deine AKTUELLE relative Blattstärke in Betracht
Die relative Blattstärke ist das Maß dafür, wie gut dein Blatt im Vergleich zur Range deines Gegenspielers ist, und zwar unter Einbeziehung der gesamten bisherigen Action (also aller Bets, Raises, Calls etc.) sowie der Art deines Gegenspielers und der Gemeinschaftskarten. Sollten dir nicht ausreichend Informationen zur Verfügung stehen, um deinen aktuellen Gegenspieler gut einschätzen zu können, kannst du dich stattdessen auch an den Spielteilnehmern im Allgemeinen orientieren.
Deine aktuelle relative Blattstärke beschreibt also, wie gut dein Blatt in diesem Moment ist, d.h. angesichts der bisherigen Spielweise deines Gegners und des Verlaufs des Boards. Das Problem dabei ist, dass unsere Emotionen nicht gut mit der sich ständig ändernden relativen Blattstärke klarkommen, die durch die Geschehnisse am Tisch oder die Karten auf dem Board verursacht wird.
Es ist schwer, sich emotional darauf einzustellen, dass dein Blatt jetzt nur noch einen eher zweifelhaften EV hat, wenn es gerade eben noch einen sehr hohen hatte. Das kann oft zu einer Art emotionalem Rückschlag führen. Dies wiederum kann einen Adrenalinschub zur Folge haben, der dann zu einer sturen und/oder übereilten Entscheidung führen kann. Unsere aktuelle relative Blattstärke zu akzeptieren kann deshalb sowohl eine rationale als auch eine emotionale Aufgabe sein.
Entscheidend hierfür ist, dass du vollkommen ehrlich mit dir selbst bist bei der Frage, ob dein Blatt noch immer die meisten Blätter in der Range deines Gegners schlägt oder ob es jetzt nicht mehr viel mehr als ein Bluff Catcher ist. Wenn du damit hauptsächlich nur Bluffs schlägst, solltest du dich fragen, wie oft es in dieser Situation wohl zu einem Bluff kommt. Wenn die Antwort darauf „sehr selten“ lautet, bist du einen Schritt näher am Hero Fold.
Doch selbst, wenn wir akzeptieren können, dass unser Blatt nun bedeutend schlechter ist, müssen wir immer noch mit dieser lästigen inneren Stimme umgehen, die schreit: „Zwei Paare sind zu gut für einen Fold!“
Schritt 3: Die innere Trennung vom Pot
Warum hängt dieser Teil von uns so sehr an dem Pot, wenn wir ein starkes Blatt haben? Weil wir es gewohnt sind, Blätter mit einem so hohen Wert nicht zu folden. Wenn wir zwei Paare oder ein Set floppen oder preflop Aces auf die Hand bekommen, assoziiert unser Gehirn das mit dem Gewinn von Geld und nicht mit einer Niederlage oder gar mit einem Fold.
Dieser starke innere Widerstand gegen einen Fold kann dazu führen, dass wir die Maus zum Call-Button bewegen, und das sogar dann, wenn wir bereits die logische Schlussfolgerung gezogen haben, dass wir folden sollten. Wie oft hast du dir schon in letzter Sekunde eine Ausrede einfallen lassen, um zu callen, oder die Maus wie magnetisch zum Call-Button gleiten lassen, obwohl du nicht der Überzeugung warst, dass ein Call der richtige Zug wäre?
Wenn du erst einmal akzeptiert hast, dass dein EV durch solche Umstände dezimiert wurde und es sich dabei um eine seltene Ausnahmesituation handelt, wirst du dir auch bewusst machen können, dass dein Blatt nicht so mächtig ist, wie es normalerweise wäre. Daher wird dir auch dann, wenn ein Call okay wäre, dieser dir nicht viel Geld einbringen.
Sobald wir uns von dem Gedanken verabschiedet haben, dass dies eine profitable Situation ist, wird uns ein Fold auch leichter fallen.
Zusammenfassung
- Der erste Schritt zu einem großen Fold ist es, sich den Freiraum zu nehmen, um sich ganz in Ruhe auf die neue Situation einzustellen.
- Der zweite Schritt ist es, dich zu fragen, wie gut dein Blatt jetzt ist. Ist es auf gerade mal einen Bluff Catcher geschrumpft?
- Der dritte Schritt ist es, zu akzeptieren, dass dies keine gute Gelegenheit und Chance mehr ist, und das Verlangen, eine Menge Geld zu gewinnen, loszulassen.