Wie viel kann Tilt dich kosten?

In Teil 1 dieser Serie haben wir uns angeschaut, welche Formen von Tilt es gibt, und durch welches Spielgeschehen manche Spieler zum Tilting neigen. Heute wollen wir versuchen einzuschätzen, wie viel euch so ein Tilt kosten kann – also wie viel Schaden er verursacht. Außerdem gebe ich euch ein paar Tipps, wie ihr reagieren könnt, wenn ihr bei euch Anzeichen für Tilting feststellt.

Wie viel kostet ein Tilt?

Ich habe einen guten Freund, der ein erfolgreicher Spin & Go-Spieler ist, aber zu Tilting neigt. Als ich einmal schlechte Züge von ihm mitbekommen habe – bei denen er mit sehr schwachen Blättern All-in gegangen ist -, habe ich ihn gefragt, warum er so gespielt hat. Er hat geantwortet, dass er manchmal etwas tiltet.

 

Für ihn heißt das, dass er in den Spielen, die er gerade spielt, All-in geht – egal welches Blatt er hat! Er meint, das wäre keine große Sache, weil er so den Frust rauslässt und die Sitzung anschließend gut weiterspielen kann. Aha … Gehen wir also mal (vorsichtig) davon aus, dass er recht hat, und schauen uns an, wie viel ihn diese „Lösung“ kostet.

Mein Freund spielt an 2 bis 3 Tischen gleichzeitig. Bei Spin & Gos verdient ein durchschnittlicher regelmäßiger Spieler 50-60 Chips pro Spiel. Das Spiel beginnt mit 500 Chips. Wenn wir also 1.000 bis 1.200 Chips zurückgewinnen müssen, die wir durch den Tilt verloren haben, müssten wir ungefähr 20 Spiele umsonst spielen, um den Verlust wettzumachen.

Selbst wenn man an mehreren Tischen gleichzeitig spielt, geht dafür eine Stunde Spielzeit drauf. In diesem Beispiel spielt mein Freund also eine Stunde umsonst, um sich die wenigen Sekunden Luxus zu gönnen, die ihm bei seinem Tilt helfen. Wenn wir von vier bis fünf Stunden Spielzeit pro Tag ausgehen, kann einen dieser harmlos wirkende Fehler also 20% bis 25% der Tagesleistung kosten. Wenn es zwei Mal vorkommt, kann es einem die Hälfte der Gewinne nehmen.

Wie sieht es bei Cashgames aus? Nehmen wir einen regelmäßigen Spieler mit durchschnittlichen Gewinnen von 2BB/100 bei seinem üblichen Stake. Das bedeutet, dass er durchschnittlich 2 Big Blinds pro 100 Hände gewinnt. Wenn er täglich 2.000 bis 3.000 Hände spielt, verdient er 40 bis 60 Big Blinds. Das ist weniger als der Betrag, mit dem ein Spieler am Tisch sitzt.

Das Buy-in beträgt meistens 100 Big Blinds oder mehr. Wenn ein Spieler also wegen eines Tilts seinen gesamten Stack verliert, verbrennt er mehr Geld als sein erwarteter Tagesgewinn. Cashgames sind extrem Tilt-anfällig. Viele Cashgame-Spieler, die langfristig nur ihre Buy-ins zurückgewinnen oder geringe Verluste machen, sind nur deshalb in dieser Situation, weil sie hin und wieder Tilting erleben.

Wenn man zu plötzlichen, aber schnell vorübergehenden Tilts neigt, sollte man vermutlich nur Einzeltisch Sit & Gos spielen. Das ist wahrscheinlich der Spieltyp, der den langfristigen Schaden von einem einzelnen Tilt am meisten begrenzt.

Bei Multitisch-Turnieren ist es schwieriger, eine Schätzung abzugeben, da hier die Phase des Turniers, in dem man den Fehler macht, eine große Rolle spielt. Am Finaltisch ist es aber zweifellos so, dass man gut und gern mehrere Monatsgewinne verliert, wenn man dort tiltet.

Ich weiß, dass die Beispiele oben nicht alle Fälle umfassen. Ich will euch einfach klar machen, wie viel man insgesamt bei einem Tilt verliert.

Wenn ihr einen Tilt erlebt …

Im heutigen modernen Poker ist Tilting einfach ein Luxus. Es ist völlig klar, dass man Tilts so weit wie möglich vermeiden sollte. Okay – aber was sollte man tun, wenn man nicht anders kann? Wenn ihr bei euch Anzeichen für einen Tilt feststellt, solltet ihr aufhören zu spielen! In Cashgames könnt ihr sofort aussteigen. Wenn ihr Sit & Gos oder Spin & Gos spielt, ist das auch nicht besonders schwer – ihr solltet einfach die laufenden Turniere beenden, aber keine neuen beginnen.

Ich glaube in MTT kann man einige Minuten lang aussetzen. Es ist deutlich besser ein paar Hände zu verpassen, statt einen großen Fehler zu begehen, durch den man aus dem Turnier ausscheidet. Setzt aus, steht auf, lauft herum, hört euer Lieblingslied oder macht irgendwas, das euch aus dem Tilt herausbringt. Ich persönlich rufe in solchen Fällen jemanden an und rede ein paar Minuten mit ihm über irgendein Thema, das nichts mit Poker zu tun hat. Wir können alles Mögliche tun, um unseren Tilt loszuwerden – und das sollten wir auch, denn so schützen wir den Rest unseres Spiels.