Raising oder Calling?

Eine der ersten Sachen, die dir auffallen werden, wenn du einem High Stakes-Spiel zuschaust, ist, dass kaum ein Spieler jemals zu Anfang vor dem Flop (preflop) nur einen Call macht (auch als „limping in“ bekannt). In den allermeisten Händen macht der erste Spieler, der in den Pot einsteigt, dies mit einem Raise, und zwar für gewöhnlich von um die 2-4 Big Blinds. Es gibt mehrere Gründe, warum du es in Erwägung ziehen solltest, diese Taktik von deinem nächsten Cash Game an zu erlernen.

Wenn du nur mit starken Händen erhöhst und mit den mittelmäßigen Händen, die du spielen willst, limpst, macht es das für deine Gegenspieler sehr leicht, sich eine Vorstellung der Stärke deiner Hand zu machen. Wann immer sie sehen, wie du limpst, werden sie dies mit einem großen Raise erwidern, um dich dazu zu bringen, entweder zu folden oder mehr Chips in den Pot zu tun, um den Flop zu sehen, als du es vorhattest. Erhöhst du hingegen preflop mit allen Händen, die du spielen willst, macht es das für sie unmöglich, deine Hand einzuschätzen (bekannt als Hand Reading). Du könntest alles haben von Pocket-Assen bis hin zu Suited Connectors oder einem kleinen Paar – eine Voraussage ist praktisch unmöglich.

Mehr Gewinnmöglichkeiten

Abgesehen davon, dass du deine Hand auf diese Art quasi tarnst, hat ein Raise statt eines Calls auch noch den Vorteil, dass sich dir damit die Chance bietet, die Blinds auf der Stelle zu gewinnen, ohne dass es überhaupt zum Flop kommt. Mit einer äußerst starken Hand ist das natürlich nicht immer das erstrebenswerteste Ergebnis.

Doch wenn du mit einer weniger guten Hand wie K-9 erhöht hast (möglicherweise, weil du in einer späten Position sitzt und alle vor dir gefoldet haben), dann ist der Gewinn der Blinds ohne jeden Widerstand überhaupt kein schlechtes Ergebnis. Diese kleinen Gewinne mögen nicht nach viel aussehen, doch wenn du immer wieder die Blinds kassierst, wird sich auf Dauer ein nettes Sümmchen anhäufen. Wenn du aber nur mitgehst, hast du keine Chance, die Blinds auf diese Art zu ergattern. Normalerweise musst du dann den Flop sehen, um den Pot zu gewinnen.

Im Voraus planen

Wenn du preflop erhöhst, kann dies darüber hinaus auch einen positiven Nebeneffekt auf den restlichen Verlauf der Hand haben. Nehmen wir einmal, du erhöhst mit 7-6 und wirst gecallt. Der Flop kommt mit A-2-4. Du hast nichts getroffen, also ist es jetzt Zeit, aufzugeben, oder etwa nicht? Falsch! Mit deinem Raise vor dem Flop hast du den Eindruck erweckt, dass du eine anständige Hand hast, die sehr gut ein As enthalten könnte. Wenn dein Gegenspieler checkt, bietet dir das eine fantastische Möglichkeit für eine Continuation Bet mit der Absicht, den Pot zu stehlen.

Hat dein Gegenüber eine bessere Hand wie König-hoch oder sogar ein mittelmäßiges Pocket-Paar, wird er oftmals davon ausgehen, dass du dein zweites As getroffen hast, und einfach folden. Anders sieht es natürlich aus, wenn du gecallt wirst. In diesem Fall solltest du bereit sein, auf dem Turn aufzugeben, es sei denn, deine Hand verbessert sich oder du hast Grund zur Annahme, dass dein Gegenspieler die schwächere Hand hat.

Schauen wir uns im Vergleich dazu einmal an, was passiert wäre, wenn du vor dem Flop gecallt hättest. Selbst, wenn der Flop genauso aussieht und dein Gegenspieler vor dir checkt, wird jeder Bluff, den du jetzt machst, an Glaubwürdigkeit verlieren. Denn wenn du tatsächlich ein As hättest, warum hättest du dann nicht preflop einen Raise gemacht?

Es erscheint manchmal naheliegend, Pokerhände als ein Denkspiel anzugehen, das aus mehreren Teilen besteht, die in den verschiedenen Einsatzrunden – den Streets – eines nach dem anderen gelöst werden müssen. Doch das ist der falsche Ansatz! Sofern möglich, solltest du immer versuchen, einen Plan für die ganze Hand zu schmieden – und ein solcher Plan beginnt oftmals mit der aggressiven Action von einem Raise vor dem Flop.