Long Run in Poker – auf lange Sicht

Ob man ein Gewinner ist, kann man nur auf lange Sicht feststellen. Für den „Long Run“ in Poker braucht es Ausdauer und eine Sample Size.

Auf lange Sicht

Vor 13 Jahren habe ich angefangen, mit Freunden Texas Hold’em zu spielen. Wenn jemand das Pech hatte, mit starken Karten zu verlieren, und etwas Trost brauchte, haben wir immer gesagt: „Keine Sorge, auf lange Sicht gibt sich das alles.“

Was haben wir damit gemeint? Die meisten meinten wahrscheinlich einfach, dass man sich keine Sorgen wegen ein bisschen Pech machen sollte, weil wir langfristig alle unsere Verluste zurückbekommen, wenn wir weiter Geld reinstecken. Das stimmt aber leider nicht. Die einzige Wahrheit ist: Je häufiger man seine Chips in den Pot investiert, desto wahrscheinlicher ist, insgesamt ein gewinnender Spieler zu sein.

 

Du weißt, dass du nie einen Chip zurückbekommst, den du ungerecht verloren hast. Allerdings stürmt die Justice League auch nicht deine Wohnung, um all das Geld zurückzuholen, das du bei Bad Beats deiner Gegner gewonnen hast. Wenn jemand immer noch nicht überzeugt ist, erkläre ich das gern an einem einfachen Beispiel.

Ein Beispiel von für immer verlorene Chips

Stellen wir uns eine sehr seltene Situation vor, die nur ein oder zwei Mal im Jahr vorkommt. Das Spiel sei Texas Hold’em. Nach der Turn-Karte erhältst du ein Four of a Kind, du gehst All-in, aber der Gegner hat das stärkste Full House. Sagen wir mal, auf einem Board mit K, 8, 3, 3 hast du 3-3 und dein Gegner hat K-K. Nur der vierte König kann deinem Gegner helfen, alle anderen Karten sind gut für dich. Das Verhältnis der guten Karte zu unbekannten Karten liegt bei 43/44 – deine Gewinnchancen liegen also bei 97,7%. Anders gesagt, aus 44 Malen verlierst du erwartungsgemäß nur ein einziges Mal. Wir kennen alle diese Spiele, in denen dann der König kam. Selbst wenn es nicht gegen dich war, du hast es bestimmt mal erlebt, Es passiert. Es passiert erwartungsgemäß ein Mal aus 44 Malen.

Am Anfang des Beispiels habe ich erwähnt, dass man nur 1 oder 2 solcher Spiele im Jahr hat, bei einer durchschnittlichen Pokerkarriere also weniger als 46 Male. Sagen wir, du erlebst es 25 Mal. Wenn du je auf diese Weise eine Hand verloren hast, ist das bestmögliche Ergebnis, dass du 24 aus 25 Malen gewinnst – das sind nur 96%. Und das ist der Rest deines Lebens.

Man kann also sagen, dass ein Spieler, der mindestens einmal in so einer Situation Pech hatte, nie „die verlorenen Chips zurückbekommt“ – selbst wenn er jedes andere Mal gewinnt. Der Wert bleibt garantiert unter 97,7%, sodass die Annahme der langen Sicht hier nicht gilt.

Alle Linien schneiden sich in der Unendlichkeit?

Man könnte ein Diagramm zeichnen, das deine tatsächlichen Ergebnisse über alle Pokervarianten hinweg in gewonnen Chips oder Dollar darstellt. Das macht man natürlich nicht mit Papier und Taschenrechner – dafür gibt es Tracker-Software. Wer so etwas kennt, weiß auch, dass die Software weitere Diagramme zeichnen kann. Das wichtigste von allen ist das Diagramm, das die Wahrscheinlichkeiten berechnet, und so unsere Leistung zeigt. Wir nennen das ein EV-Diagramm. (EV steht hier für „expected value“, also den Erwartungswert.) Das EV-Diagramm bietet dir einen genaueren Blick auf deine Leistung als das Diagramm mit deinen tatsächlichen Gewinnen, weil es gewissermaßen den Zufallsfaktor ausschließt.

Die meisten Leute, dazu gehören auch Weltklassespieler, glauben mangels besseren Wissens oft, dass diese Diagramme sich definitiv überschneiden oder in der Unendlichkeit treffen. Das ist natürlich eine besonders wichtige Frage für Leute, die schlechter als ihr EV abschneiden. Wer oberhalb des EVs liegt, hofft in der Regel, dass es so bleibt. Die beiden Diagramme korrelieren natürlich, aber es ist keineswegs sicher, dass sie sich irgendwann schneiden.

Tatsächlich passiert das genaue Gegenteil. Mit der Zeit können wir eine noch größere absolute Differenz zwischen den tatsächlichen Ergebnissen und dem EV erwarten. Die relative Diskrepanz wird hingegen geringer. Man kann also Folgendes sagen: Der Unterschied zwischen EV und den tatsächlichen Ergebnissen wird größer, je mehr Hände man spielt – der Abstand der beiden Werte in Prozent wird aber erwartungsgemäß nach kleiner und kleiner.