Expected Value – Erwartungswert in Poker

Pokeranfänger werden zu Beginn oft mit mathematischen Begriffen überschüttet und Erwartungswert ist zweifelsohne einer davon. Allerdings benötigt man nur grundlegende Kenntnisse der Mathematik, um Erwartungswert (EW), der auch oft als Expected Value (EV) bezeichnet wird, im Zusammenhang mit Poker zu verstehen.

Was hat Poker mit Erwartungswert zu tun?

Poker ist ein wenig wie das Leben, so kann man alles richtig machen und Pech haben oder man trifft falsche Entscheidungen und hat Dusel. Doch man darf sich weder im Leben noch am Kartentisch dazu verleiten lassen, Glück mit Können zu verwechseln.

Doch genug der schönen Worte, was bedeutet der Expected Value in Poker? Grob gesagt definiert der Erwartungswert den durchschnittlichen Betrag, den ich mit einer Aktion gewinne oder verliere. Nehmen wir ein simples Beispiel:

Der klassische Münzwurf wird gerne gebracht, um einen Versuch zu zeigen, der zwei gleiche Wahrscheinlichkeiten hat. So landet die (faire) Münze in 50% aller auf Kopf und in 50% Fälle auf Zahl.

Würde man nun mit einem Freund um $1 pro Wurf wetten, wäre der Erwartungswert 0 (EV neutral), denn langfristig werden beide Seiten gleich oft zu sehen sein und damit die Höhe des gesamten Verlustes und des gesamten Gewinnes gleich.

Erwartungswert = Wahrscheinlichkeit des Gewinnes * Gewinn – Wahrscheinlichkeit des Verlustes * Verlust
Erwartungswert = 50% * $1 (Gewinn) – 50% $1 (Verlust)
Erwartungswert = 0,5 * $1 – 0,5 * $1
Erwartungswert = $0,50 – $0,50

Allerdings landet die Münze niemals abwechselnd auf Kopf oder Zahl, so dass es in einem fiktiven Spiel zwischen zwei Personen durchaus einen Gewinner und einen Verlierer geben kann.

Hier kommt die Varianz ins Spiel, ein Thema das wir im Artikel über die Standardabweichung genau erklären. Doch zurück zum eigentlichen Thema, dem Erwartungswert in Poker.

Erwartungswert – Poker Beispiele

Nehmen wir an, wir sitzen mit Freunden in einer Heimrunde und spielen NL5. Am Button finden wir ein paar Jacks und nachdem zu uns gefoldet wurde, erhöhen auf 15 Cent. Der Spieler am Small Blind wirft seine Karten weg, doch der Spieler am Big Blind annonciert ein All-in.

Da dieser jedoch kurz davor einen großen Pot verloren hat, ist dies ein All-in mit nur $1. Wir müssen also $0,85 zahlen, um zu callen. Nehmen wir in unserem erdachten Beispiel des weiteren an, dass der Spieler seine Karten umdreht und uns schwarze Asse zeigt.

Da es ohnehin nur um den Spaß geht, callen wir trotz des offensichtlichen Nachteils und treffen einen dritten Buben auf dem Board. Die ganze Runde lacht und wir erhalten den Pot von knapp über $2. Doch lassen wir nun das Resultat außer Acht und überlegen uns, ob der Call gut war. Hierfür wollen wir wissen, was der Erwartungswert war.

Mit den Blinds sind $0,15 in der Mitte, wir legen weitere $0,15 rein und der Spieler am Big Blind geht mit zusätzlichen $1 all-in. Dies sind insgesamt $1,30, die wir mit unserem Call gewinnen können. Wir wissen der Gegner hält , so dass er gegen unsere Buben in rund 80% aller Fälle gewinnen wird.

Erwartungswert = 20% * $1,30 – 80% * $0,85
Erwartungswert = 0,2 * $1,30 – 0,8 * $0,85
Erwartungswert = $0,26 – $0,68
Erwartungswert = -$0,42

Während wir also am Tisch den Pot entweder gewinnen, oder verlieren, so müssen wir aus mathematischer Sicht davon ausgehen, dass wir durchschnittlich einen Verlust von $0,42 machen. Der Erwartungswert ist somit negativ und damit ist der Call schlecht. Pokerspieler sagen hier auch gerne „-EV“.

Nehmen wir abschließend noch ein drittes Beispiel. Stellen wir uns vor, wir sitzen immer noch am Tisch und unser Freund im Big Blind hat für $5 nachgekauft. Wir haben aufgrund der vorausgegangenen Hand einen Stack von über $6 und ihn somit gecovert.

Erneut kommt es zu einer Konfrontation zwischen uns und er stellt uns am Flop all-in. In der Mitte liegt und da unser Freund so gerne seine Karten zeigt, präsentiert er uns grinsend für das Top Set. Wir halten und sind uns nicht sicher, was wir machen sollen.

Zum Glück erinnern wir uns an das Thema Expected Value und rechnen den Erwartungswert aus. Aufgrund der Action vor dem Flop liegen $6 in der Mitte und unser Gegner ist mit seinen letzten $2 all-in, wir müssen also $2 zahlen, um insgesamt $8 zu gewinnen.

Erwartungswert = 33,8% * $8 – 66,2% * $2
Erwartungswert = 0,338 * $8 – 0,662 * $2
Erwartungswert = $2,704 – $1,324
Erwartungswert = +$1,38

Obwohl wir also wissen, dass wir in rund zwei Dritteln der Fälle verlieren werden, ist der Erwartungswert positiv (+EV) und somit dürfen wir mit gutem Gewissen callen.

Fazit – „hätte, hätte Fahrradkette?“

Das Wissen rund um Erwartungswert hilft uns nicht die Zukunft vorher bestimmen. Ein guter Pokerspieler gewinnt nicht langfristig, weil er Glück hat, sondern weil er die richtigen Entscheidungen trifft.

Das Thema Expected Value hilft uns am Poker Table die richtigen Entscheidungen zu treffen, ist jedoch nur ein Werkzeug aus dem großen Sortiment von professionellen Spielern. Wer Mitglied von PokerStars School ist, der kann im Forum aktiv an Diskussionen teilnehmen, Poker lernen und so stetig sein Spiel verbessern.

Zu guter Letzt noch ein paar Worte zu unseren Beispielen. Die angegebenen Prozente waren genaugenommen nicht die Gewinn- oder Verlustwahrscheinlichkeit, sondern die Equity am Pot, was als Eigenanteil übersetzt werden kann. Die Rechnungen sind trotzdem korrekt und wir haben nur aufgrund der Vereinfachung hier ein Auge zugedrückt.

Ebenfalls nicht völlig richtig ist im Übrigen die Aussage, dass eine Münze zu gleichen Wahrscheinlichkeiten auf beiden Seiten landet. Selbst bei einem fairen Wurf und einer fairen Münze landet sie minimal öfter auf der gleichen Seite, wie sie zu Beginn des Wurfes lag. Wer neugierig geworden ist, darf sich gerne auf die Suche nach Internetartikeln über Professor Persi Diaconis (Stanford University) machen.