Wohin verschwinden die Pokerchips am Abend nach dem Turniertag? Wer sorgt dafür, dass alle Teilnehmer:innen des Turniers mit der gleichen Anzahl an Chips starten? Und wie kann man sicher sein, dass alles fair abläuft und niemand mehr oder weniger Chips erhält, als ihm zustehen?
Die Antworten auf all diese Fragen liegen wie immer beim Team der Turniermitarbeiter der European Poker Tour (EPT), deren jahrelange Erfahrung für ein Höchstmaß an Spielintegrität sorgt.
Und was die Chips betrifft, so liegt die Verantwortung dafür bei den Personen, die Tag und Nacht von Chips umgeben sind. Sie zählen und sortieren Chips, bringen sie an die Tische und transportieren sie alle wieder zurück.
Bei der letzten EPT Paris durfte der PokerStars Blog einen Blick in dieses „Heiligtum der EPT“ werfen: den Chipraum. In Begleitung von Toby Stone, dem Turnierdirektor der EPT, trafen wir Anna Vazzolla und Simone Busolin, zwei der erfahrensten und fachkundigsten „Chip Handler“ der Tour.
Beide haben flinke Finger und noch flinkere Gehirne. Sie wissen einfach alles, was man über Chips wissen kann. Und sie tragen wesentlich dazu bei, dass die EPT so reibungslos und fair abläuft, wie es die Spieler:innen gewohnt sind.
Zählen und ausgeben, zählen und einsammeln
Bei jeder Station der European Poker Tour können zu einem beliebigen Zeitpunkt vier oder fünf verschiedene Turniere gleichzeitig stattfinden- und damit rund 100 Turniertische aktiv sein. Ein Event beginnt möglicherweise gerade erst, während ein anderes den Finaltisch ausspielt. Manche Spieler:innen zahlen möglicherweise €300 für einen Platz am Tisch, während andere, bei einem anderen Event, €50.000 pro Seat aufbringen.
Deshalb befinden sich im EPT-Lager im Londoner Großraum etwa 400.000 einzelne Chips. Und deshalb reisen für jede EPT-Station unzählige davon quer durch Europa.
Vor Ort werden diese Chips dann im „Chip Room“ gelagert – ein streng bewachter, sicherer Ort, an dem speziell ausgesuchtes und ausgebildetes Personal alles unter Kontrolle hat.

Ein EPT-Festival braucht Hunderttausende von Chips.
Sie haben verschiedenste Aufgaben. Vor einem Turnier müssen sie die Chip-Racks zusammenzustellen, welche die Dealer dann an die Tische bringen und in einzelne Stacks aufteilen. Während des Turniers müssen sie die Austausch-Chips für die Chip-Races bereitstellen.
Zählen, zählen, zählen
Und jeder Chip, der den „Chip Room“ verlässt, muss wieder dorthin zurückkehren. Dies bedeutet eine enorme Zählarbeit.
„Wir zählen sie alle vor der Ausgabe – und wiederholen das Ganze noch mal beim Einsammeln“, beschreibt Stone die Aufgabe, jeden einzelnen Chip im Auge zu behalten. Mit Blick auf seine Mitarbeiter fügt er hinzu: “Sie wissen immer, wie viele da draußen sind. Denn natürlich behalten wir die Chipzahlen ständig im Blick, damit wir wissen, was wir noch im Chipraum haben.“
Die Chips werden in Schubladen aufbewahrt, die sich wiederum in speziell angefertigten Schränken befinden. Vazzolla und Busolin bereiten jeweils eine bestimmte Anzahl von Chips vor, die für jeden Turniertisch benötigt werden. Dies kann nicht automatisiert werden – denn es gibt keine spezielle Maschine zum Zählen von Chips. Das bedeutet, dass die beiden neben den Schubladen stehen, die richtigen Farben herausziehen und einen Stapel nach dem anderen vorbereiten müssen, bis die Chipmenge für einen Tisch vorbereitet ist.
Stone hat meistens eine ungefähre Vorstellung davon, wie viele Spieler zu einer bestimmten Veranstaltung erwartet werden. Daher kann er grob berechnen, wie viele Tische und wie viele Chips benötigt werden. Aber es ist den Fähigkeiten und der Unermüdlichkeit von Vazzolla und Busolin zu verdanken, dass die Racks genau und rechtzeitig vorbereitet werden.
Und die beiden sind schnell. Ihrer Einschätzung nach brauchen sie etwa 25 bis 30 Minuten, bis die Chips für 70 Tische vorbereitet sind.
„Wir bereiten die Chipstacks ziemlich schnell vor“, sagt Busolin. “Aber manchmal haben wir einfach sehr viel zu tun. Dann essen wir mit einer Hand und mit der anderen zählen wir Chips.“
„Und wir setzen uns nie hin. Wir stehen“, fügt Vazzolla hinzu.
Den Überblick behalten
Vor Beginn eines Turniers weist der „Dealer Controller“ jedem Dealer seinen oder ihren Turniertisch zu. Diese Dealer nehmen dann die Chips für den Tisch an sich – zusammen mit den Karten, All-in-Dreiecken, Cut-Karten usw. – und bringen sie in den Turniersaal.
Das Personal im Chipraum hält auf einem „Chip Control Sheet“ genau fest, wie viele Stapel es vorbereitet und aus dem Raum geschickt hat. Für jedes Turnier, das stattfindet, wird eines dieser Chip-Kontrollblätter an die Wand geheftet.
Auf diesen Blättern steht neben anderen wichtigen Informationen auch die Startzeit des Turniers und der Starting Stack pro Spieler:in – ebenso wie das spezifische „Chipset“, das benutzt wird.

Die Chip Control Sheets
Die EPT hat acht dieser „Sätze“ von Chips, die sie rotiert und nach dem Zufallsprinzip bei ihren Veranstaltungen einsetzt. Chips, die für Events mit niedrigem Buy-in verwendet werden, werden niemals für High-Roller-Turniere verwendet und umgekehrt. So wird sichergestellt, dass ein Spieler, der versucht, einen Chip einzustecken und ihn bei einer anderen Veranstaltung wieder auf den Tisch zu schmuggeln, niemals seinen Stack auf diese Weise „erhöhen“ kann.
„Wir haben ein Chipset für Events unter €1.000, ein Set für €1.000 bis €4.000 und noch ein High-Roller-Set“, erzählt Stone. “Wir benutzen eine ganze Reihe von Sets. Unsere Mitarbeiter wissen, welches Set sie verwenden müssen … Also würdest du nie ein High-Roller-Set bei einem €1.000-Event sehen. Und wenn jemand sich einen solchen Chip einsteckt, kann er ihn nicht bei einem anderen Turnier benutzen.“
Arbeit, Arbeit, Arbeit
Einen wirklich ruhigen Tag gibt es im Chipraum nicht. Aber als Faustregel gilt: Je mehr im Turniersaal los ist, desto weniger hektisch wird es für Busolin und Vazzolla.
Das mag zunächst widersprüchlich klingen, ergibt aber Sinn, wenn man es sich erklären lässt.
„Der Chipraum funktioniert genau entgegengesetzt zum Turniersaal“, so Busolin. „Wenn viele Turniere gleichzeitig stattfinden, die aber jeweils nur wenige Teilnehmer haben, bedeutet das für uns viel Arbeit. Wir müssen uns um all diese Chip-Races kümmern, wir müssen Anmeldungen bestätigen, wir müssen Stacks vorbereiten. Das ist eine Menge Arbeit für uns. Aber wenn draußen viel los ist mit großen Turnieren, wie zum Beispiel hier am Tag 1B des Main Events, ist das der beste Tag für den Chipraum.“
Er fügt hinzu: „Draußen sind viele Spieler, aber sie sitzen alle im selben Turnier. Sobald wir also dieses große Turnier vorbereitet haben und es losgeht, müssen wir uns im Grunde nur noch um dieses Turnier kümmern. Das Chip Race wird verrückt, okay, aber es gibt eben nur ein Turnier. Und damit gibt es auch nur einen Satz Chips-Taschen.“
Das Chip Race
Ein weiterer hektischer Moment ist das so genannte „Chip Race“. Dieses „Chip-Rennen“ bezeichnet den Zeitpunkt in einem Turnier, an dem die Chips mit den niedrigeren Nennwerten vom Tisch genommen und gegen höherwertigere Chips eingetauscht werden. Das Chip Race ist ein weiterer Moment, an dem sich potenzielle Fehler in die Turnierorganisation einschleichen können.
Deshalb wird der EPT-Prozess von langjährigen, erfahrenen Mitarbeitern sorgfältig koordiniert, die nach genauen Richtlinien vorgehen, um größtmögliche Integrität zu gewährleisten.
Der erste Schutz vor möglichen Fehlzählungen findet am Tisch selbst statt. Dort weist der Turnierleiter nur einen Spieler an, alle Chips mit niedrigerem Nennwert von allen anderen zu „kaufen“.

Anna Vazzolla hat 17 Jahre Erfahrung in der Casino-Branche – zuletzt als „Dealer Controller“ und im Chipraum.
Der „Chipkauf“
Durch diesen „Einkauf“ soll sichergestellt werden, dass es nur eine große Transaktion gibt und nicht mehrere Spieler gleichzeitig andere Chips erhalten. Wie immer gilt: Je weniger bewegliche Teile es gibt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit von Fehlern.
Die genaue Überprüfung der Chip-Anzahl trägt wesentlich zu diesem Prozess bei. Wenn beispielsweise die 1K-Chips in einem Chip Race den Tisch verlassen, weiß das Personal im Chipraum bereits genau, wie viele 1K-Chips sich an den Tischen befinden. Also wissen sie auch genau, wie viele Chips mit höherem Nennwert sie in der Pause ausgeben müssen.
Die 1K-Chips werden natürlich nicht gleichmäßig auf alle Tische verteilt. Daher enthält die Box, in der die Chips transportiert werden – die sogenannte „Crystal Box“ – mehr Chips als unbedingt nötig. Aber auch deren Anzahl wird natürlich genauestens nachgehalten.
(Eine volle Kristallbox wiegt übrigens etwa 15 kg. Ein ordentliches Krafttraining, wenn man die Box mehrmals am Tag hin und her tragen muss.)
Immer einen Schritt voraus
Die Chip-Racks werden zusammen mit einer Karte, auf der die Nummer jedes Tisches steht, ausgegeben. Und nach dem Chip Race kommen die ausgetauschten Chips mit derselben Karte zurück, zusammen mit den höheren Chips, die nicht für das „Chiprennen“ benötigt wurden.
Wieder zurück im Chipraum, werden die zurückgegebenen Chip-Racks gezählt, um sicherzustellen, dass die gleiche Anzahl an Chips zurückgegeben wurde, wie ausgegeben wurde. Etwaige Unstimmigkeiten werden geklärt, bevor die Spieler:innen aus der Turnierpause zurückkehren. Mit anderen Worten: Noch bevor sie überhaupt eine Ahnung haben, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte.
Aber es gibt noch eine weitere Sicherheitsmaßnahme. Die zurückgegebenen Chip-Racks bleiben bei ihrer Tischnummer, bis alle Spieler:innen wieder auf ihren (neuen) Plätzen am Tisch sitzen, ihre Chips nachgezählt haben und das Turnier wieder aufgenommen wurde.

Eine volle Crystal Box wiegt 15 kg.
Wenn sich also ein Spieler meldet und der Meinung ist, dass er die falsche Anzahl an Chips hat, weiß das Chipraum-Team genau, welche Racks von diesem bestimmten Tisch ausgegeben und zurückgegeben wurden. Das bedeutet, dass sie nicht Berge von Chips durchsuchen müssen, um festzustellen, ob und was schiefgelaufen ist.
Fehlende Chips
„Wenn ein Spieler sagt: ‚Mir fehlen Chips‘, sagen wir: ‚Schau, so sieht unser Verfahren aus. Wir haben die Chips bei der Ausgabe gezählt und wir haben sie bei der Rückkehr gezählt’„, sagt Stone. „Die Chips werden erst dann gemischt, wenn alle Spieler:innen zurückgekehrt sind und der Floor Manager bestätigt hat, dass alles in Ordnung ist. Das bedeutet, dass niemand zurückgekommen ist und gesagt hat: ‚Ah, mir fehlen ein paar Chips. Hier ist ein Fehler passiert.‘ Wenn es einen Fehler gab, wissen wir, an welchem Tisch er passiert ist, und wir können uns auf diese Chips konzentrieren und sie zählen.“
Eines ist natürlich von größter Wichtigkeit: Niemand Unbefugtes darf Zugang zum Chipraum haben – und niemand darf ohne triftigen Grund Chips in die Hände nehmen.
„Kein Mitarbeiter kann Chips erhalten, ohne die Chipkontrolle zu durchlaufen – und sie alle müssen diese Chips anfordern und den Grund dafür angeben“, sagt Stone. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn man die 100er-Chips per Chip Race aus dem Turnier nehmen will. Es wäre jedoch alles andere als in Ordnung, wenn jemand, der nicht in den täglichen Betrieb involviert ist, Chips an sich nehmen und mitnehmen würde.
Verluste sind unvermeidlich
Aus offensichtlichen Gründen kann man jedoch nicht erwarten, dass jede einzelne dieser 400.000 kleinen Scheiben auf ewig erhalten bleibt. Manche gehen einfach unterwegs verloren.
Glücklicherweise sorgen allein schon die Struktur und der Aufbau eines Pokerturniers für eine Art Selbstkontrolle. Denn die Spieler:innen achten natürlich auf „ihre“ Chips – ganz besonders auf die mit dem höchsten Nennwert, da diese im Turnierumfeld am wertvollsten sind.
Und wenn du dich jemals gefragt hast, warum das Turnierpersonal die Einführung der größten Chip-Werte scheinbar bis zum letzten Moment hinauszögert, dann hat das natürlich auch seinen Grund …

Simone Busolin arbeitete zuerst im Chipraum der Italian Poker Tour, bevor er zur EPT wechselte.
„Wir verlieren nie die Chips mit hohem Wert, die 25Ks und die 100Ks“, so Stone. „Diese Chips führen wir nur mit größter Vorsicht ins Turnier ein. Wir geben die 25Ks immer erst so spät wie möglich aus. Denn das macht einen 25K-Chip, den jemand ins Turnier mitbringen will, nahezu wertlos. Wenn die 25Ks eingeführt werden, entspricht ein solcher Chip vielleicht noch vier Big Blinds. Deshalb geben wir sie erst in letzter Sekunde aus.“
Wichtig ist, dass das Personal dem Turnier immer einen Schritt voraus ist und etwaige Unstimmigkeiten beim Zählen der Chips nachverfolgen kann. Sie können dann ihren Prüfpfad durchgehen und herausfinden, was vermutlich passiert ist.
Der Prüfpfad
„Wir wissen immer, was wir verloren haben“, sagt Vazzolla. “Am Ende des Turniers wissen wir es. Wir gehen unsere Chip-Kontrollblätter am Ende jedes Tages durch und wissen, welche Chips sich wo befinden.“
„Auf den Blättern notieren wir auch, wenn ein Spieler von einem Tisch zum anderen wechselt und Jetons auf dem Boden verloren hat“, so Busolin. „Dann wissen wir, dass uns bei diesem Turnier 5K fehlen, weil jemand sie auf dem Boden verloren hat. Wir behalten einfach alles im Auge, damit wir wissen, was sich im Turnierraum befindet. Und wenn dann etwas fehlt, wissen wir, aus welchem Grund das so ist und wo das Problem liegt.“
Stone sagt: „Als Teil unseres Prozesses zählen wir grundsätzlich die Chips auf den Tischen, wenn wir bei drei, zwei oder einem Tisch angelangt sind. Damit wollen wir sicherstellen, dass alles korrekt ist, und können erkennen, ob in dieser wichtigen Phase, in der es meist um viel Geld geht, Chips an die Tische geschmuggelt wurden. Am Ende der Veranstaltung zählen wir alle zurückgegebenen Chips. Sie werden dann von der Chip-Kontrolle überprüft, um sicherzustellen, dass die gleiche Menge zurückgegeben wurde, die wir ausgegeben haben. Sollte dies nicht der Fall sein, leiten wir eine Untersuchung ein.“
Chips sicher lagern
Einmal im Jahr besucht Stone selbst das Londoner Lager und zählt von Hand jeden einzelnen Chip, der sich im Besitz von PokerStars befindet. Als Teil dieses Prozesses überprüft er auch, ob das Unternehmen weitere Chips kaufen oder Änderungen an seinen Sets vornehmen muss.
Die aktuellen Sets sind etwa fünf oder sechs Jahre alt und immer noch in gutem Zustand. Und wenn man bedenkt, dass die Herstellung jedes Chips etwa €1 kostet, wird einem klar, dass niemand gern einen vollständigen Chipwechsel durchführen möchte.
„Die Anschaffung ist eine große Ausgabe“, sagt Stone. “Wenn man die Chips jedes Jahr ersetzen würde, käme man auf eine Rechnung von ein paar hunderttausend Euro pro Jahr.“
Noch ein Grund, warum die Chips der EPT sich in so sicheren Händen befinden.
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