Die Fußballweltmeisterschaft in Mexiko hatte ihre La Ola-Wellen. Die WM in Südafrika hatte ihre Vuvuzelas. Vielen Fans gingen sie richtig auf die Nerven, aber ihr Ton war dennoch unverwechselbar und unverzichtbar – ein transformativer Sound, der einen sofort in eine bestimmte Zeit und an einen bestimmten Ort versetzte.
Auch die EPT Prag hatte einen solchen unverwechselbaren Sound. Kreisch. Jeder, der jemals einen Fuß in den Turniersaal des Hilton gesetzt hat, kannte ihn. Kreisch. Mit etwa 75 Tischen, die von jeweils neun Stühlen umgeben waren – kreisch – von denen jeder vier über den Boden kratzende Beine hatte – kreisch – und das auf einem laminierten Fliesenboden – kreisch – hallte den ganzen Tag lang – kreisch – ein schreckliches Kreischen durch den Turniersaal – kreisch, kreisch, kreisch, kreisch.
Nicht zum Aushalten
„Was mich seit Jahren hier in Prag am meisten nervt? Die Stühle, die psychische Schäden verursachen“, erzählte der amerikanische Pokerpro Steve O’Dwyer 2022 dem Podcast Poker in the Ear. „Sie geben kein Quietschen von sich. Sie erzeugen das lauteste und schmerzhafteste Kreischen, das du dir vorstellen kannst, wenn die blanken Metallunterkanten der Stuhlbeine über den Fliesenboden kratzen – und zwar jedes Mal, wenn auch nur einer der 500 Leute im Raum das Gewicht ein wenig verlagert.“
Wie O’Dwyer im Podcast weiter erzählte, hat er gewisse Ansprüche in punkto Komfort – sowohl was sein Hotel als auch seine Umgebung am Pokertisch betrifft. Und er gab zu, dass diese Komfortansprüche teilweise anspruchsvoller sind als bei den meisten anderen. („Es ist schon stressig genug, diese Turniere zu spielen“, verteidigte er sich.)
Aber was die Stühle anging, so stieß O’Dwyer bei der großen Mehrheit der Spielerinnen und Spieler, die seit Jahren nach Prag kommen, auf offene Ohren. Wer das Kreischen einmal bemerkte, konnte es nicht mehr überhören. Und es ging weiter und weiter, wie Fingernägel auf einer Kreidetafel, bis der Tag vorbei war …
„Seit 2011 habe ich alles versucht, […] dieses Kreischen loszuwerden“, erzählt O’Dwyer. „Ich war bei Teppichhändlern und Dekorationsgeschäften. Ich habe überlegt, wo ich etwas finde, das ich über die Unterseiten der Stuhlbeine stülpen kann, und ob ich um 3 Uhr morgens, wenn alle Turniere für den Tag beendet sind, wieder in den Saal fahren soll, um alle Stühle umzudrehen und sie zu reparieren.
Und ich habe nie die Hoffnung aufgegeben, dass eines Tages jemand mein Flehen erhören und die Stühle reparieren würde.“
Endlich eine Lösung
2022 wurden O’Dwyers Bitten endlich erhört. Steve O’Dwyer, der selbsternannte Kreuzritter im Kampf gegen das Prager Kreischen, hat endlich sein Ziel erreicht.
„Wir haben dem Hotel gesagt, dass sie das in Ordnung bringen müssen“, erzählt Turnierdirektor Toby Stone, der sich gemeinsam mit Margarita Kuzmina vom EPT-Live-Event-Team der Sache angenommen hat. „Wir haben ihnen erklärt, dass sie entweder einen Teppich auslegen oder etwas unter die Stuhlbeine kleben müssten. Und irgendwann haben sie es getan.“
Die Lösung? Nun, sie ist eigentlich ganz einfach. Jedes Stuhlbein bekam eine winzige Plastikhülse, an deren Unterseite ein kleines Teppichstück klebt.
Die Stühle stöhnen immer noch unter dem Gewicht der Pokerspieler, und sie rutschen und knirschen immer noch über den Boden. Aber das Kreischen wird von diesen kleinen Schalldämpfern absorbiert und gedämpft – bis auf die Male, wenn ein Stuhlbein seine Plastikhülse verliert.
Und plötzlich herrscht überall Glück und Zufriedenheit.
„Glückwunsch“, meinte einer der Teilnehmer zu Stone und bewunderte die einfache, aber effektive Lösung. „Ihr habt nur 15 Jahre gebraucht.“
„Moooment …“, entgegnete Stone, im Versuch, die Schuld auf seine Vorgänger als EPT-Turnierdirektoren abzuschieben. „Ich bin erst seit 2018 oder 2019 dabei. Und dann hatten wir noch die Pandemie“, fügte er hinzu.
Eine Kandidatin für die Poker Hall of Fame
Stone legt übrigens größten Wert darauf, dass Margarita Kuzmina die ihr zustehende Anerkennung erhält: Schließlich hat sie dafür gesorgt, dass die Plastikhülsen rechtzeitig in Prag eintrafen.
„Sie sollte in die Poker Hall of Fame aufgenommen werden“, meinte Jan Kores, Medienkoordinator der EPT.
Es bleibt abzuwarten, ob es soweit kommt. Aber immerhin ist es im Turniersaal der EPT Prag viel ruhiger als zuvor – und die Turnierteilnehmer sind seitdem vor psychischen Schäden sicher (wenn man von gelegentlichen Bad Beats einmal absieht).
Wenn ich ganz ehrlich sein soll, vermisse ich das Kreischen irgendwie. Doch das behalte ich besser für mich …
(Danke an Danny Maxwell für die Fotos. An einem Tag ist er in Brasilien und fotografiert die Formel 1, am nächsten Tag darf er eine Fotoserie von Stuhlbeinen zusammenstellen …)
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