Preflop den Pot eröffnen
Das Erste, was ein angehender 6-Max Cash Game-Spieler lernen sollte, ist, mit welcher Range, also mit welcher Bandbreite von Starthänden, er von jeder einzelnen Position einen Open Raise macht. Tabellen auswendig zu lernen ist eine Gedächtnisübung, die jedoch alleine nicht ausreichen wird, um eine solide Wissensbasis zu bilden.
In dieser Einführungslektion zu 6-Max Cash Games erklären wir dir nicht nur, mit welchen Starthänden ein Raise vor dem Flop in den jeweiligen Positionen am Tisch der richtige Zug ist, sondern wir erläutern auch, warum.
Mit „Eröffnen“ (Opening) meinen wir als Erster nach den Spielern in den Blinds mit einer Erhöhung in den Pot einzusteigen. Später in diesem Kurs werden wir darauf eingehen, wie wir mit einem oder mehreren Limpern umgehen.
Der 6-Max Tisch
Beginnen wir einmal damit, uns mit jeder Position eines 6-Max Tisches vertrauter zu machen.
Wie du siehst, sind die Positionen am Poker Table in drei Kategorien unterteilt. Zunächst haben wir da die Positionen in Blau, die nicht für das Stehlen der Blinds (einen Steal) geeignet sind. Da nach uns mehr Spieler agieren als sonst, gibt es eine höhere Chance, dass einer davon eine starke Hand hat und unseren Zug mit einem Call oder einer 3-Bet erwidert.
Die Positionen in Rot sind gut zum Stehlen der Blinds. Das bedeutet nicht, dass wir nie ein starkes Blatt haben, wenn wir von diesen Plätzen aus den Pot eröffnen. Jedoch sind viele der Starthände, mit denen wir hier eröffnen, zumindest teilweise deshalb profitabel, weil wir unsere Gegenspieler manchmal zu einem Fold vor dem Flop bringen. Mit 86s vom CO (Cut-Off) zu eröffnen, was ich prinzipiell empfehlen würde, wäre beispielsweise kein profitabler Spielzug, wenn es jedes Mal einen Call oder ein Raise von mindestens einem Gegenspieler geben würde.
Die Position in Schwarz ist der BB (Big Blind). Wir werden in diesem Beitrag nicht weiter auf diese Position eingehen, einfach weil es unmöglich ist, den Pot vom BB aus zu eröffnen. Wenn alle Spieler vor uns ihre Karten niederlegen, gewinnen wir den Pot. Das ist zwar schön und gut, jedoch vom strategischen Standpunkt uninteressant. In einer späteren Lektion dieses Kurses befassen wir uns damit, wie wir unseren Big Blind gegen die Open Raises unserer Gegenspieler verteidigen.
Doch fürs Erste wollen wir uns auf die Gründe dafür konzentrieren, einen Pot zu eröffnen. Denn nur so fangen wir an, zu verstehen, wie wir Opening Ranges für eine große Bandbreite an verschiedenen dynamischen Situationen erstellen können. Und das ist wesentlich interessanter und lukrativer, als sich nur nach einer Tabelle zu richten.
Die Gründe dafür, den Pot zu eröffnen
1. Value (Wertgenerierung)
Hin und wieder hat jeder einmal das Glück, eine extrem starke Starthand ausgeteilt zu bekommen, wie z.B. AKo oder QQ. Diese Starthände haben eine sehr hohe Equity, also einen hohen Wert, d.h. sie führen beim Showdown öfter zu einem Gewinn als die große Mehrzahl aller anderen Blätter. Im Durchschnitt sind sie für uns deshalb einen hohen Anteil des Pots wert, den wir aufgebaut haben. Je höher unserer gewonnener Pot ist, umso mehr Geld machen wir. 70% eines großen Pots sind sehr viel besser als 70% eines kleinen Pots.
Mit einer starken Hand würden wir von jeder Position am Tisch erhöhen, um Value zu generieren. Doch je näher wir am BU (Button) sitzen, desto weniger streng sind die Anforderungen für einen solchen Value Raise. Das liegt daran, dass unsere Gegenspieler mit einer breiteren Range mitgehen werden, da wir einen höheren Anreiz haben, den Pot zu stehlen
Deshalb ist KJo keine ideale Starthand, um von UTG einen großen Pot aufzubauen, jedoch ist es auf dem Button sehr wohl ein gutes Blatt für einen Value Raise. Denn der Spieler im BB wird sich gezwungen sehen, mit Starthänden wie K9o und K5s mitzugehen, um zu verhindern, dass wir nicht mit zwei x-beliebigen Karten versuchen, den Pot zu stehlen, und Profit damit machen. Es gibt keine feststehende Reihe von Starthänden, mit denen man immer einen Open Raise wegen des Values machen sollte. Stattdessen sollte ein solcher Value Open als Erhöhung mit einer Starthand betrachtet werden, die uns auch nach einem Call noch gute Chancen bietet.
2. Das Spielerfeld verkleinern
Unsere Equity entspricht der Häufigkeit, mit der wir beim Showdown den Pot gewinnen. Stell dir die Equity als einen Kuchen vor. Mit je mehr Leuten wir den Kuchen teilen müssen, desto kleiner ist unser Stück.
Mit einem Open Raise verfolgen wir meistens unter anderem das Ziel, einige unserer Gegner aus der Hand zu treiben, sodass wir ein größeres Stück von einem größeren Kuchen abbekommen. Nehmen wir beispielsweise an, wir sitzen UTG mit QQ. Dieses starke Paar hat eine sehr hohe Equity von 77% gegen die Range von Händen, mit denen auf dem Button mit unserer Eröffnung mitgegangen werden könnte. Diese Range könnte in etwa so aussehen: [55-JJ, ATs-AQs, KJs-KQs, QJs, JTs, T9s, 98s, 87s, AQo]. Würden wir uns hier statt für eine Erhöhung für einen Limp entscheiden, würde dies im Durchschnitt zu einem kleineren Pot und zu mehr aktiven Gegenspielern führen.
Wenn wir bei unserer Kalkulation von zwei weiteren Gegenspielern mit jeweils der oben stehenden Calling Range ausgehen, würden wir nun zu viert (4-handed) um den Pot spielen. Dies würde zu einer Senkung unserer Equity von 77% auf 49% führen. Worauf es hinausläuft, ist Folgendes: Hättest du lieber 77% eines großen Pots oder 49% eines kleinen Pots? Das Spielerfeld zu verkleinern ist essentiell, um den Profit aus starken Händen zu maximieren.
Ein höherer Gewinn auf dem Showdown ist jedoch nicht der einzige Vorteil eines kleineren Spielerfeldes. Wenn wir einen Flop mit weniger aktiven Gegenspielern sehen, hilft uns das auch, alle anderen noch vor dem River zu einem Fold zu bewegen, wenn der Flop nicht unbedingt zu unseren Gunsten war und wir uns auf die Fold Equity verlassen. (Fold Equity bedeutet, dass wir den Pot in einer bestimmten Anzahl von Fällen gewinnen, indem wir die Mitspieler dazu bringen, zu passen).
Stell dir einmal vor, du eröffnest mit JTs vom HJ (Hi-Jack) und schaffst es auf diese Art, das Spielerfeld bis auf nur einen Gegenspieler auszudünnen: der Spieler auf dem BB. Der Flop bringt 742r, wir machen einen kleinen Einsatz und der BB passt. Würden hier insgesamt vier Spieler um den Pot spielen (ein Four-Way Pot), würden wir mit Sicherheit weitaus seltener mit einem Einsatz mit Bube hoch auf der Hand so einfach gewinnen. Indem wir das Spielerfeld vor dem Flop verkleinert haben, haben wir dafür gesorgt, dass wir den Pot auch dann verhältnismäßig oft gewinnen können, wenn wir auf dem Board nichts getroffen haben.
3. Das Stehlen der Blinds
Eine extremere Form der Verkleinerung des Spielerfeldes ist es, wenn wir es so sehr verkleinern, dass außer uns kein anderer Spieler übrig ist. In diesem Fall gewinnen wir die Blinds, was auf kurze Sicht nichts Besonderes ist, es uns jedoch ermöglicht, langfristig für eine anständige Gewinnrate (Win-Rate) zu sorgen. Indem wir sehr häufig ganz kleine Pots gewinnen, verhindern wir, dass die Blinds unseren Chipstack, die essentielle Grundlage für unser Pokerspiel, auffressen. Bei 6-Max Cash Games sitzen wir wesentlich häufiger in den Blinds als in Full Ring-Spielen und sind viel öfter in der richtigen Position, um die Blinds zu stehlen. Deshalb ist eine weite Opening Range unerlässlich.
Mathematisch gesehen haben wir sehr gute Chancen, auf dem Button mit Blättern wie K6s die Blinds zu stehlen – wir haben also einen guten Erwartungswert (EV). Wenn wir mit 2,5 BB eröffnen, riskieren wir 2,5 BB, um 1,5 BB zu gewinnen. Nehmen wir einmal an, wir würden auf dem Flop jedes Mal passen, wenn wir einen Call bekommen. Dies wäre eine schreckliche Strategie, doch müsste unser Versuch zu stehlen (unser Steal) immer noch nur in 2,5 von 4 Fällen (2,5 + 1,5), also in 62,5% aller Fälle, Erfolg haben, damit wir auf plus/minus Null kommen.
Die meisten Spieler werden im Small Blind tight spielen – zu Recht, denn in dieser Position ist es gefährlich, mit einer zu weiten Range mitzugehen. Es ist der schlechteste Platz am Tisch und es gibt noch einen weiteren Spieler, der zum Zug kommt. In der Regel wird der Spieler im Small Blind in dieser Situation in mindestens 80% aller Fälle seine Karten niederlegen. Der Spieler im Big Blind hingegen sollte in diesem Szenario sehr viel häufiger auf Verteidigung (der Blinds) setzen.
Dies hat den Grund, dass er die besseren Pot Odds hat und als Letzter am Zug ist. Er wird in dieser Situation vielleicht in nur ca. 60% aller Fälle passen. Das bedeutet, dass unser Steal in 48% aller Fälle (0.6 x 0.8) Erfolg haben müsste, was nicht weit von unserem Zielwert für die Fold Equity entfernt ist, die wir brauchen, um auf plus/minus Null zu kommen – und das unter der Annahme, dass wir planen, bei jedem Flop zu passen, was natürlich lachhaft wäre.
Tatsächlich haben wir eine viel bessere Strategie auf dem Flop, als jedes Mal zu passen. Diese beinhaltet Continuation Bets in ausgewählten Situationen, Value Bets mit guten Blättern und Semi-Bluffs mit Draws. Deshalb brauchen wir nur eine weitaus niedrigere Fold Equity als 62,5% und sogar noch eine niedrigere als 48%. Mit einer durchaus spielbaren Hand wie K6s ist ein Steal an einem durchschnittlichen Tisch ein sehr profitabler Zug.
Fazit (grundlegende Opening Ranges)
Die folgenden Ranges sind nur als grobe Richtlinie gedacht. Verschiedene Tische erfordern unterschiedliche Opening Ranges für die jeweiligen Plätze. Doch die folgenden Tabellen stellen eine solide Grundlage dar für die standardmäßige Vorgehensweise an einem durchschnittlichen Tisch, an dem das Spiel weder besonders loose noch besonders tight ist. An einem solchen durchschnittlichen Tisch könnten beispielsweise drei solide Vielspieler (Regulars) sitzen, ein eher tighter Spieler und ein Freizeitspieler, dessen Spiel als loose bezeichnet werden kann.
Weiche ruhig von diesen Ranges ab und probiere öfter, also mit einer weiteren Range, vom SB aus die Blinds zu stehlen, wenn ein Gegenspieler diese nicht oft genug verteidigt. Oder erhöhe mit mehr Starthänden des Values wegen von UTG, wenn der Spieler auf dem BB zu loose ist. Dies sind nur zwei von vielen Gelegenheiten, in denen du die Spielweise deiner Gegner auf die eine oder andere Art strategisch ausnutzen kannst („exploitative strategy“ genannt).
Under the Gun Position
Cut-Off Position
Button Position
Small-Blind Position