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Mental Game in 6-Max Cash Games

Tilt ist ein emotionaler Störeinfluss, der sich negativ auf die logische Entscheidungsfindung eines Spielers auswirkt. Dieser kann in unterschiedlich hohem Maß auftreten und von Müdigkeit und Unkonzentriertheit bis hin zu voller Wut oder Zorn auf einen bestimmten Spieler führen. In welcher Form und in welchem Maß auch immer sich dein Tilt bemerkbar macht, du solltest dir darüber im Klaren sein, dass 6-Max Cash Games ein actionreiches Spielformat mit hoher Schwankungsanfälligkeit sind – also mit vielen Aufs und Abs. Deshalb solltest du den psychologischen Aspekt des Pokerspiels (das „mental Game“) nicht vernachlässigen, wenn du Erfolg in 6-Max Cash Games haben willst.

 

Gründe für Tilt

Wir erleben Tilt (wir „tilten“), weil unser Unterbewusstsein im Laufe der Evolution bestimmte emotionale Reaktionen zum Schutz gegen wahrgenommene Bedrohungen entwickelt hat. Jenseits der Pokertische sind diese Impulse gesunde Impulse. Sie haben uns dabei geholfen, überhaupt erst eine Spezies zu werden, die fortgeschritten genug ist, um Online-Poker zu erfinden. Das Problem ist jedoch folgendes: Weil das Umfeld des Pokerspiels sich grundlegend von dem Umfeld unterscheidet, in dem der Mensch sich entwickelt hat, gehen diese emotionalen Reaktionen, die eigentlich unserem Schutz dienen sollen, beim Pokerspiel nach hinten los.

Das Unterbewusstsein versucht, uns vor relativ harmlosen und unvermeidlichen Übeln zu beschützen, wie z.B. einen Chipstack mit KK gegen AA zu verlieren oder einem Bad Beat auf dem River. Diese bedauerlichen Vorfälle werden dir in deiner Pokerlaufbahn immer wieder passieren. Und es gibt nichts, was du dagegen tun kannst. Hätte unsere Evolution darin bestanden, dass wir Online-Poker fürs Überleben spielen, würden wir sicherlich nicht so irrational reagieren, dass uns eine Niederlage wütend macht. Doch leider haben wir überlebt, indem wir uns Schutz gesucht haben sowie etwas zu essen und Wasser. Und diese Fähigkeiten bereiten uns nicht unbedingt auf die Frustration vor, die wir erleben, wenn wir unseren Chipstack gegen einen erbärmlich schlechten Spieler verlieren.

Seinen Stack gegen einen solchen Spieler zu verlieren wird von unserem Unterbewusstsein so wahrgenommen, als würden uns unsere Lebensressourcen von einer schwächeren Spezies geraubt. Natürlich werden wir rein instinktiv wütend und rachsüchtig – ein für das Pokerspiel völlig nutzloser Schutzmechanismus.

Fight Tilts

Fight Tilts sind die Art von Tilt, die dazu führt, dass wir unseren Gegenspieler in den Boden stampfen wollen, um uns zu nehmen, was rechtmäßig uns gehört. Unser Instinkt unterscheidet nicht, ob wir unsere Ressourcen in einem Spiel verlieren, bei dem wir freiwillig unser Geld riskieren, oder ob unsere Ressourcen uns in der Wildnis geraubt werden. Fight Tilts bedeuten, dass wir unsere Verluste zurückfordern und unsere Gegner auf Teufel komm raus besiegen wollen. Am Pokertisch macht sich das in willkürlichen Bets, Raises, Bluffs und Calls bemerkbar – mit wenig Rücksicht darauf, was der tatsächliche optimale EV sein könnte. Oft ist ein Fold der richtige Spielzug, doch für unseren Kampfinstinkt ist dies vergleichbar damit, aufzugeben und zu sterben.

Die gängigsten Formen von Fight Tilts beinhalten: Rachlust, eine Anspruchshaltung und das Hinterherjagen von Verlusten.

Flight Tilts

Flight Tilt (Flight = Flucht) ist oft weniger dramatisch und wird nicht dazu führen, 20 Buy-ins an einem Tag zu verlieren. Dennoch kann es sich genauso negativ auf deine langfristigen Erfolgschancen auswirken. Diese Art von Instinkt bedeutet, dass man auf Widrigkeiten mit dem Wunsch zu fliehen reagiert, und basiert auf der Annahme, dass das nahende Unheil so groß ist, dass es nicht im Kampf besiegt werden kann. Ein gnadenloser Downswing fühlt sich unerträglich an.

Ein Spieler mit einer Tendenz zu Flight Tilt wird daher geneigt sein, ein halbes Jahr Pause vom Pokerspiel zu machen und schließlich eine andere Karriere anzustreben. Manche Spieler vermuten Monster unter ihrem Bett. Wenn diese Spieler einen schlechten Lauf haben, führt das unterbewusst zu einer übertriebenen Mustererkennung (wiederum ein gesunder Instinkt, der nach hinten losgeht). Und sie gehen davon aus, dass nach so viel Pech nur noch mehr Pech kommen kann. Dies hat zur Folge, dass sie sinnlose Folds machen, die zu tight sind, die Gelegenheiten für profitable Bluffs verpassen und gedankenlos Pots aufgeben.

Gängige Formen von Flight Tilt sind: eine plötzliche Abneigung gegen Poker, Paranoia und Passivität.

Die Behebung von Schwachstellen im Mental Game

Soviel zur Kurzdiagnose von Tilt, kommen wir also zum allgemeinen Behandlungsplan. Ganz unabhängig davon, welche Arten von Tilt dein mentales Game vorwiegend beeinflussen, musst du dir zunächst bewusst machen, dass diese Reaktionen nicht deine Schuld sind. Du hast keine Kontrolle über dein Unterbewusstsein. Also kannst du dein logisches Bewusstsein nicht für die Reaktionen deines Unterbewusstseins verantwortlich machen. Allerdings liegt es sehr wohl in deiner Verantwortung, diese Leiden zu behandeln.

Die beste Methode, einen Hund zu trainieren, ist anhand von beispielhaften Situationen im gegenwärtigen Moment. Es wäre völlig sinnlos, einem Hund das zerfetzte Sofa zu zeigen und ihn zu fragen, warum er sich entschieden hat, es zu zerstören. Noch weniger erfolgversprechend wäre es, dem Hund wegen seiner Handlungen Schuldgefühle eintrichtern zu wollen. Denn das nächste Mal, wenn er vor der Entscheidung steht, ob er Möbel zerkauen soll, wird er deine Rüge nicht mit dieser Entscheidung in Verbindung bringen.

Dein Unterbewusstsein wird nicht über dein Verhalten nach dem Tilt reflektieren. Du kannst es also nicht mit einer Standpauke oder gar mit Selbsthass umprogrammieren. Um zu verhindern, dass unser Primatengehirn auf eine böse Überraschung am Pokertisch mit irrationaler Rachsucht reagiert, müssen wir dieses Verhalten zunächst umgehend erkennen, es sofort unterbrechen und durch ein anderes, besseres Verhalten ersetzen.

Das könnte beispielsweise so aussehen, dass du den Verlust achselzuckend zu den Akten legst und dich neu sortierst. Dieser Prozess braucht Zeit und ist am Anfang anstrengend. Schlussendlich wird sich dein Unterbewusstsein jedoch anpassen und eine neue Gewohnheit entwickeln. Du musst die richtige Handlung einfach nur oft genug ausführen. Auf diese Art wirst du die in Millionen von Jahren durch die Evolution geformte „Programmierung“ überschreiben.

Glücklicherweise müssen wir nur diejenigen unserer Schutzimpulse umgestalten, die im Kontext von Poker relevant sind. Wenn wir es schaffen, unser Gehirn dahingehend zu trainieren, dass bei einem großen Pot kein Angstinstinkt mehr einsetzt, heißt das nicht, dass wir nun keine Angst mehr vor Pistolen schwingenden Verrückten oder ausgebrochenen Löwen haben. Wir versuchen nur, unsere Reaktionen in einem Spiel zu verändern.

Abschließende Gedanken

Erkennen, unterbrechen und ersetzen. Das ist das ganze Geheimnis, um die schlechten unterbewussten Gewohnheiten, gemeinhin als Tilt bekannt, loszuwerden und sich stattdessen einige realistische und nützliche Reaktionen anzugewöhnen. Wir müssen unseren Tilt während des Spiels behandeln, und zwar auf eine ruhige und objektive Art. Fühl dich nicht schuldig, wenn du tiltest, denn du hast es dir nicht ausgesucht. Aber du hast die Wahl, etwas gegen Tilt zu unternehmen. Und das solltest du – insbesondere angesichts des volatilen Umfelds von 6-Max Cash Games – niemals vernachlässigen.