Value Betting im 6-Max Cash Game

Value Bets richtig zu setzen stellt eine äußerst wichtige Fähigkeit dar. Diese Fähigkeit spielt in der Tat eine derart grundlegende Rolle, dass es theoretisch unmöglich ist, profitabel Poker zu spielen, ohne ein Verständnis davon zu haben, wie und in welcher Höhe Value Bets gesetzt werden sollten. Das gilt selbst für die Micro Stakes.

Definition von Value Bets

Eine falsche Definition des „value betting“ ist der Hauptgrund sowohl dafür, keinen Value (Wert) generieren zu können, als auch dafür, Value Bets in Situationen zu versuchen, in denen es nicht ratsam ist.

Im Folgenden findest du zwei Beispiele von sehr verbreiteten, doch schlechten Definitionen von Value Bets. Die Schwachstellen dieser Beschreibungen wiederum werden uns zu der wahren Definition führen.

Schlechte Definition 1: Zu setzen, weil wir denken, dass wir das beste Blatt haben.

Das größte Problem bei dieser Auffassung von einer Value Bet ist folgendes: Es sei denn, wir haben die Nuts oder sind nah dran, wäre es voreilig, davon auszugehen, dass wir das beste Blatt haben. Diese Aussage wäre wesentlich passender und differenzierter mit einem relativierenden Ausdruck, zum Beispiel „gewöhnlich“ oder „meistens“. Eine theoretisch genauere Auslegung wäre es, zu sagen, dass unser Blatt stark genug ist, um der Range des Gegenspielers (Villain) voraus zu sein. Das heißt nicht, dass wir immer vorne liegen oder dass wir herumraten sollten, ob wir gerade das beste Blatt haben oder nicht – wir können es einfach nicht wissen, deshalb ist das irrelevant.

Schlechte Definition 2: Zu setzen, weil wir denken, dass wir der Range des Gegenspielers voraus sind.

 

Das ist schon besser, aber immer noch fehlerbehaftet. Das Gegenbeispiel dazu ist folgendes: Stell dir vor, du bist in einem Heads-up-Pot mit KK auf der Hand und der Flop bringt 555. In diesem imaginären Spiel weißt du genau, was meine Range ist, und zwar [AA, JT]. Das bedeutet, dass du meiner Range voraus bist. Warum? Weil es nur sechs Kombinationen von AA gibt und 16 von JT. 16 von 22 Mal, oder in 73% aller Fälle, habe ich also das schwächere Ende meiner Range auf der Hand. Zudem nimmst du an, dass ich mit AA mit deiner Bet mitgehe und mit JT passe. Kannst du eine Value Bet setzen?

Natürlich nicht. Der Gedanke dahinter ist, dass, wenn du setzt, ich nur mit solchen Blättern mitgehe, die deines schlagen. Welchen Sinn hätte es, einen Pot aufzubauen, wenn du jedes Mal, wenn ich im Pot bleibe, schlechte Gewinnaussichten (Equity) hast? Mich mit JTo zu einem Fold zu bringen, ist wirklich keine gute Idee. Erkennst du, warum? Wenn du mich im Pot behältst, kann es gut sein, dass ich auf dem Turn oder River ein Paar treffe und schließlich einen großen Pot gegen dein stärkeres Full House verliere.

Es reicht nicht aus, der Range deines Gegenspielers einfach nur voraus zu sein.

Gute Definition: Zu setzen, weil wir denken, dass wir der Range unserer Gegenspieler voraus sind, wann immer wir einen Call bekommen.

Schon viel besser, jetzt muss ich tatsächlich mit JTo mit deiner Bet mitgehen, damit das Value Betting Sinn ergibt. Halte dich an diese Definition – und schon hast du die erste Hürde überwunden, an der viele angehende Pokerspieler scheitern.

Einen Pot aufbauen

Der Aufbau eines Pots gehört beim Poker quasi zum Tagesgeschäft, und zwar aus einem einfachen Grund. Bei einem kleinen Pot ist es unmöglich, einen sehr hohen Einsatz zu machen, mit dem dein Gegenspieler motiviert ist, mitzugehen, ohne ein starkes Blatt zu haben. Einige Anfänger mögen es, ihre starken Blätter mit Slow Play anzugehen, in der Sorge, dass sie ihren Gegenüber sonst mit einer Bet „verjagen“ könnten. Dieser Ansatz ist grundlegend falsch und basiert auf der irrtümlichen Vorstellung davon, was das Ziel von Value Bets ist. Der Spieler, der darüber besorgt ist, ob der Villain passt, verfolgt ein Ziel, das sich so beschreiben lässt:

„Ich muss dafür sorgen, dass mein Gegner in der Hand bleibt.“

Doch wenn der Pot beim River immer noch winzig ist, bringt es uns nicht viel, unseren Gegenspieler noch in der Hand zu behalten. Natürlich wäre es uns lieber, wenn der Gegner unsere Value Bets nicht mit einem Fold erwidern würde. Doch wir können diesen Gedanken guten Gewissens verwerfen, denn dies ist völlig außerhalb unserer Kontrolle.

Wenn dein Gegenspieler Schrott auf der Hand hat, ist es sein gutes Recht, sein Blatt niederzulegen. Unser Ziel ist, den Gewinn dann zu maximieren, wenn er ein Blatt hat, mit dem er um den Pot spielen will. Wir dürfen ihn weder mit seinem Top-Paar vom Haken lassen noch die Gelegenheit verpassen, mit einem gefloppten Set einen großen Pot aufzubauen, nur damit wir gelegentlich mit As-hoch ein paar Chips gewinnen. Mit einem sehr starken Blatt sollten wir unser Ziel folgendermaßen anpassen:

„Ich will den höchstmöglichen Gewinn, gerechnet auf 1.000 Fälle, erzielen.“

Wenn wir versuchen, den Villain um jeden Preis im Pot zu behalten, schlagen wir zwar öfter auch einen Profit dabei heraus, doch werden wir dann weitaus seltener einen ansehnlichen Geldbetrag gewinnen. Das heißt, auf 1.000 Fälle dieser und ähnlicher Art gerechnet machen wir einfach weniger Profit. Das ist der Grund, warum Spieler verlieren. Aufgrund ihres irrationalen Drangs zum Slow Play verdienen sie so wenig mit ihren wertvollen Blättern, dass es praktisch keinen Profit aus diesen guten Gelegenheiten gibt, der für die Fälle kompensiert, in denen die Varianz es nicht gut mit ihnen meint.

Befolge diese goldene Regel zum Aufbau eines Pots, um langfristig den wahren Wert aus deinen starken Blättern herauszuholen:

Wenn du nicht zum Aggressor der letzten Einsatzrunde hin checkst und ein Blatt hast, das stark genug für eine Value Bet ist, dann solltest du eine solche Value Bet auch setzen.

Es sei denn …

1. Du bist ohne Position und weißt, dass dein Gegner deinen Check gewöhnlich mit einer Bet erwidert.

Oder

2. Der Pot ist bereits groß genug, sodass du eine Einsatzrunde lang ohne Bets auskommst und auf dem River immer noch den ganzen verbleibenden Chipstack in die Mitte kriegst, ohne dass dies eine Over Bet wäre, UND das Board ist relativ „trocken“.

Die erste Ausnahme tritt dann auf, wenn wir die Spielweise eines schwächeren Spielers ausnutzen wollen, der, wenn zu ihm hin gecheckt wird, zu aggressiv versucht, sich den Pot mit einer Bet zu schnappen. In diesem Fall kann dein Check als eine Falle beschrieben werden („trap checking“) oder aber als ein Versuch, den Gegner zu etwas zu verleiten.

Die zweite Ausnahme tritt auf, wenn wir alle Zeit der Welt haben, um das verbleibende Geld in den Pot zu bekommen – entweder, weil der Gegenspieler short-stacked ist oder weil der Pot bereits vor dem Flop sehr hoch angewachsen ist, oder aber beides. Es ist jedoch Vorsicht geboten bei einem „Wet Flop“, also einem gefährlichen Board. In diesem Fall sollten wir mit unserer Value Bet nicht länger warten, da es zu riskant wäre, unserem Gegenspieler umsonst eine Karte zu geben. Diese Karte für umsonst könnte dazu führen, dass der Villain auf einmal das beste Blatt hat, obwohl er eben noch vorhatte, auf dem Flop zu passen – oder dass wir keine Action kriegen, weil das Board jetzt zu gefährlich aussieht, obwohl er mit unserer Bet auf dem Flop mitgegangen wäre.

Die richtige Höhe von Value Bets

Der folgende Trick, um die richtige Höhe deiner Value Bets zu finden, wird dir offensichtlich vorkommen, wenn du ihn erst einmal nachvollzogen hast:

Höhere Einsätze erfordern nicht so oft einen Call wie niedrigere Einsätze, um damit langfristig denselben Profit zu erzielen.

Nehmen wir beispielsweise an, du glaubst, dass du auf dem River praktisch die Nuts, das bestmögliche Blatt, hast. Es ist unnötig zu erwähnen, dass du dabei der Calling Range deines Gegenspielers voraus bist. Du hast es mit einem passiven Spieler zu tun, der Calls mag. Fantastisch! Die Definition einer Value Bet ist erfüllt und du kannst drauf los feuern.

Doch welche Höhe setzt du an? Du liegst richtig mit der Annahme, dass die Calling Range deines Gegenspielers gewöhnlich bis zu einem gewissen Grad schrumpfen wird, wenn dein Einsatz höher ausfällt. Doch das ist völlig in Ordnung. Gehen wir einmal davon aus, dass der Villain mit einer Bet in Höhe des halben Pots mit 75% seiner Range mitgehen wird und mit einem Einsatz in Höhe des ganzen Pots mit nur 40% seiner Range. Der Pot beträgt $20. Setzt du $10 oder $20? Lass es uns herausfinden.

Durchschnittlicher Profit = Einsatzhöhe x Häufigkeit eines Calls
Durchschnittlicher Profit mit $10 Einsatz = 10 x 0,75 = $7,50
Durchschnittlicher Profit mit $20 Einsatz = 20 x 0,4 = $8

Das heißt, auch, wenn es verlockend ist, die Einsatzhöhe so anzusetzen, dass wir mehr Action kriegen, zählt am Ende nur der durchschnittliche Profit. Wenn der Villain dieses Mal passt, dann ist es eben so. Unser Ziel ist, auf lange Sicht das meiste Geld zu gewinnen.