Ich habe kürzlich an einem Turnier teilgenommen, bei dem ein Spieler zwei Hände hintereinander gewann, indem er auf Flop, Turn und River callte und beide Male seinen Flush Draw traf. Nach der zweiten Hand sagte er etwas Merkwürdiges: „Ich war echt überrascht, dass ich den Flush zusammenbekommen habe. Schließlich hatte ich schon in der Hand davor den Flush getroffen.“
Warum sollte er sowas sagen? Offensichtlich nahm er an, dass sich die Wahrscheinlichkeit für einen Flush in der zweiten Hand durch den Flush in der ersten Hand verringert hatte. Aber ist das wahr? Absolut nicht! Schließlich waren beide Hände voneinander unabhängige Wahrscheinlichkeiten, die nichts miteinander zu tun hatten.
Die Annahme dieses Spielers war ein klassisches Beispiel für einen Irrtum, dem die allermeisten Menschen unterliegen, wenn es um einen bestimmten Bereich der Wahrscheinlichkeitsrechnung geht. Zugleich sagt er viel darüber aus, wie wir denken und die Welt um uns herum ordnen – und uns dabei täuschen.
Anfang des 20. Jahrhunderts stellte man im Casino de Monte-Carlo beim Roulette fest, dass viele Gäste einem logischen Fehlschluss zum Opfer fielen. Wenn die Kugel mehrmals auf Schwarz fiel, waren die Spieler sicher, dass Rot wahrscheinlicher war, und sie setzten entsprechend. Sie verhielten sich auf diese Weise, obwohl das eine zufällige Ereignis nichts mit dem anderen zu tun hatte – und so entstand der Begriff „Monte-Carlo-Fehler“ (engl. Gambler’s Fallacy oder Spielerfehlschluss).

Der Monte-Carlo-Fehler am Beispiel eines Münzwurfs
Am einfachsten lässt sich der Monte-Carlo-Fehler anhand eines Münzwurfs erklären: Wenn wir eine Münze werfen, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass die Zahl oben liegt, 50 Prozent. Kaum jemand hat ein Problem, das zu erkennen und entsprechend vorherzusagen. Werfen wir die Münze nun fünf Mal, und sie landet jedes Mal mit der Zahl nach oben, werden die meisten Menschen für den sechsten Wurf annehmen: Jetzt muss sie bestimmt andersherum fallen – diesmal wird sich ganz bestimmt der Kopf oben befinden. Irrtum. Wieder stehen die Chancen 50 zu 50.
Im Gegensatz zu uns besitzt die Münze kein Gedächtnis. Sie weiß nicht, dass sie schon fünf Mal mit der Zahl nach oben gelandet ist und nun Kopf an der Reihe wäre. Und sie nimmt auch keine Rücksicht darauf, dass wir es gesehen haben und uns daran erinnern. Die Münze fällt völlig unabhängig von unseren Erwartungen und der Geschichte, in die wir sie einbinden. Doch wir verlassen uns bei unserer Vorhersage für den sechsten Wurf trotzdem eher auf unsere Erfahrung als auf die Gesetze der Mathematik.
Beim Poker ist es genauso. Wenn man seinen Draw trifft, ist die Wahrscheinlichkeit, dass in der nächsten Hand wieder ein Draw kommt, genauso groß oder klein wie vorher. Die Karten haben kein Gedächtnis. Beim Poker gibt es eine großzügige Portion Zufall. Aber das kann für eine Maschine wie unser Gehirn, die für ihr Leben gern Muster erkennt, schwer zu akzeptieren sein.

Die Psychologie des Monte-Carlo-Fehlers
Aber warum funktioniert das Gehirn auf diese Weise? Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Zum Beispiel die sogenannten „kognitiven Verzerrungen“: hinterlistige Abkürzungen, die unser Gehirn nimmt und die uns auf einen bestimmten Weg führen, ohne dass wir es merken.
Glückssträhne gegen Pechsträhne
Kognitive Verzerrung Nummer eins ist die sogenannte „Repräsentativitätsheuristik“ – eine Urteilsentscheidungsregel, in der die Wahrscheinlichkeit von Ereignissen danach bewertet wird, wie genau sie bestimmten Prototypen entsprechen. Ein Beispiel: Wer beim Poker ein paar gute Blätter hintereinander bekommt, könnte dadurch zu der Annahme verleitet werden, dass er eine Glückssträhne hat und dass auch das nächste Blatt eine Gewinnerhand sein wird. Doch man sollte nie vergessen, dass die Karten – genau wie auch Münzen oder Roulettekugeln – kein Gedächtnis haben. Sie können sich weder die Gewinne noch die Verluste vergangener Hände merken. Jedes Blatt ist eine eigenständige Einheit, mit voneinander unabhängigen Wahrscheinlichkeiten.
Die geknackten Asse
Kognitive Verzerrung Nummer zwei wird mit dem schönen Wort „Verfügbarkeitsheuristik“ bezeichnet. Dabei geht es um unsere Tendenz, aktuellen oder besser im Gehirn gebliebenen Ereignissen mehr Gewicht zu verleihen – auch wenn kein Zugang zu präzisen und vollständigen Informationen besteht. Das klassische Pokerbeispiel für ein solches Verhalten? Jeder kann sich genau daran erinnern, wann und wie die eigenen Asse geknackt wurden. Und jeder vergisst nur zu gern die vielen Male, in denen sie gewonnen haben. Von den vielen, vielen Bad-Beat-Storys ganz zu schweigen …

„Jetzt bin ich an der Reihe“
Umgekehrt führt diese Verzerrung auch dazu, dass das eigene Gehirn einem vorgaukelt, dass man nach vielen Bad Beats jetzt mit dem Gewinnen „an der Reihe“ ist. Die Fähigkeit des Gehirns, diese überdeutlichen Erinnerungen an die eigenen Bad Beats abzurufen, ersetzt die schwierige Frage nach der Häufigkeit eines Ereignisses oder dem Umfang eines Verlusts durch die einfachere Frage, wie leicht es fällt, sich an passende Beispiele zu erinnern.
Die „Verlustaversion“ ist eine kognitive Verzerrung, die unsere Tendenz beschreibt, Verluste höher zu gewichten als Gewinne. Beim Poker kann sie den Monte-Carlo-Fehler des Spielers noch verstärken. Nehmen wir an, ein Spieler hat einen schlechten Lauf – und dadurch Angst, noch mehr zu verlieren. Diese Angst vor dem Verlieren kann ihn dazu verleiten, riskantere Einsätze zu tätigen, um die eigenen Verluste schnell „auszugleichen“. In Kombination mit der „Verfügbarkeitsheuristik“ könnte das den Spieler glauben machen, dass ein großer Gewinn unmittelbar bevorsteht – während er in Wirklichkeit suboptimale Entscheidungen trifft und noch tiefer in die Verlustzone rutscht.
Dem Glück nachhelfen
Die letzte kognitive Verzerrung auf unserer Liste kann selbst die versiertesten Spieler zu Fall bringen – die „Kontrollillusion„. Sie entsteht, wenn unser Gehirn uns davon überzeugt, dass wir Kontrolle über zufällige Ereignisse haben, die nachweislich nicht beeinflussbar sind. Eine einfache Form dieses Denkfehlers sieht man beim Würfelspiel: Spieler neigen dazu, stärker zu werfen, wenn sie hohe Zahlen erzielen wollen, und sanfter für niedrige Zahlen.
Beim Poker kann sich dies darin äußern, dass Spieler glauben, ihre Entscheidungen könnten die eigenen Karten in irgendeiner Weise beeinflussen. Manche klopfen zweimal auf den Tisch, um dem Glück „nachzuhelfen“. Andere sind davon überzeugt, dass ein Glücksbringer ihnen zu einem großen Gewinn verhelfen wird. Aber Karten interessieren sich nicht für Glücksbringer oder Tischklopf-Rituale. Sie folgen ihren eigenen Regeln. Und die Entscheidungen des Spielers sollten auf Logik und Strategie basieren, nicht auf der Illusion von Kontrolle.

Wie der Monte-Carlo-Fehler das Spielverhalten beeinflussen kann
Es gibt die verschiedensten Möglichkeiten, wie der Monte-Carlo-Fehler beim Poker die eigenen Entscheidungen beim Spiel und bei den Einsatzhöhen beeinflussen kann.
Stellen wir uns Folgendes vor: Du hast eine Reihe unterdurchschnittlicher, nicht spielbarer Blätter erhalten und dein Chipstapel schwindet langsam dahin. In dieser Situation wird der „Monte-Carlo-Fehler“ wie ein ungebetener Gast in deinem Kopf auftauchen und dir einflüstern, dass nach einem schlechten Lauf ein Gewinnerblatt unmittelbar bevorsteht. Dies kann dazu führen, dass du einen klassischen Anfängerfehler begehst und eine Hand spielst, die du normalerweise folden würdest. Jeder von uns kennt diese „Argumentationskette“ (die keine ist): „Ich bin dran zu gewinnen, also werde ich mit diesem miesen Blatt mein Glück versuchen.“ Dabei gilt nach wie vor, dass jede Hand ein Neuanfang ist und die Karten keine Erinnerung an deine vorherigen Hände haben. Es ist also wichtig, nicht von der richtigen Strategie abzuweichen, nur weil das eigene Gehirn voller trügerischer Fehlschlüsse steckt.
Betrachten wir nun die andere Seite der Medaille. Nehmen wir an, du hast einen tollen Lauf und gewinnst eine Hand nach der anderen. Wenn sich dann der Monte-Carlo-Fehler meldet, wird er dir vorgaukeln, dass jetzt „logischerweise“ ein großer Verlust bevorsteht und du vorsichtig sein musst! Hier lautet die „Argumentationskette“ (die keine ist): „Ich habe viel gewonnen. Also werde ich wahrscheinlich mein Glück aufgebraucht haben.“ Dies kann dazu führen, dass du vorsichtiger spielst, um einen Verlust zu vermeiden – was nicht gut für deine langfristige Rentabilität ist. Der größte Teil deiner Gewinne kommt durch optimales Value Betting zustande. Also darfst du keine Gelegenheit auslassen, nur weil dein Gehirn dir etwas Seltsames einflüstert!
Zum Abschluss
Wie gesehen, kannst du am Pokertisch aufgrund der verschiedensten psychologischen Mechanismen in die Irre geführt werden. Das Verständnis dieser „Eigenheiten des Gehirns“ ist ein grundlegender Schritt für deinen langfristigen Erfolg. Es kann dir helfen, die Fehlschlüsse zu durchschauen, die Kontrolle zu behalten und Entscheidungen auf der Grundlage von Logik zu treffen, anstatt dich von kognitiven Verzerrungen leiten zu lassen. Wenn du dir diese Erkenntnisse zunutze machst, stehen die Chancen besser, dass auch deine Gewinnchancen zu deinen Gunsten steigen.
————————————
Spiele verantwortungsbewusst! Für weitere Informationen zum verantwortungsbewussten Spielen besuche unsere Webseite: https://www.pokerstars.de/about/responsible-gaming/#over18
————————————–
Nach oben